Rz. 20

Nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG hat der Betriebsrat die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, insbesondere bei der Einstellung, Beschäftigung, Aus-, Fort- und Weiterbildung und dem beruflichen Aufstieg, zu fördern. Nr. 2a wurde durch das 2. Gleichberechtigungsgesetz vom 24.4.1994 neu aufgenommen. Der Sache nach handelt es sich um eine Klarstellung, die dem Betriebsrat die besondere Aufgabe noch einmal bewusst machen soll. Nach Art. 3 Abs. 3 GG darf niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden, und zwar weder unmittelbar noch mittelbar. § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG beruht auf der (Neu-)Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG, wonach der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt. Neben § 80 Abs. 1 Nr. 2a bleibt die Verpflichtung des Betriebsrats nach § 75 Abs. 1 BetrVG zur Überwachung des Verbots der Geschlechtsdiskriminierung bestehen. Über § 75 BetrVG werden die Vorschriften des AGG, die eine Benachteiligung oder Belästigung wegen des Geschlechts untersagen, auch für den Betriebsrat im Rahmen seiner Überwachungsfunktion unmittelbar verbindlich. § 80 Abs. 1 Nr. 2a enthält über die reine Überwachungspflicht des § 75 hinaus zusätzlich allerdings noch die Pflicht des Betriebsrats, sich aktiv für die Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung einzusetzen.

Durch das BetrVG-Reformgesetz v. 23. Juli 2001 wurde das Wort "Gleichberechtigung" durch das Wort "Gleichstellung" ersetzt. Dies dient der Anpassung des Gesetzestextes an den Sprachgebrauch des "Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes (BGleiG)". Außerdem wurde die Frauenförderung (auch außerhalb eines entsprechenden Vorschlagsrechts des Betriebsrats) ausdrücklich zum Gegenstand der Personalplanung gemacht (vgl. hierzu § 92 Abs. 3 BetrVG).

Weitere Ansatzpunkte bieten die nur mit Zustimmung des Betriebsrats möglichen Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) oder die ebenfalls zustimmungsbedürftige Aufstellung von allgemeinen Beurteilungsgrundsätzen (§ 94 Abs. 2 BetrVG). Wie Art. 3 Abs. 2 GG will die Regelung des § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG nicht nur die rechtliche Verpflichtung zur Gleichbehandlung normieren, sondern dazu beitragen, die Gleichstellung tatsächlich durchzusetzen. Die Auffassung, die Frauenförderung sei grundsätzlich kein betriebliches, sondern ein gesellschaftliches Anliegen und damit betriebsverfassungsfremd[1], greift deshalb zu kurz. Gleiches gilt für den daraus gezogenen Schluss, systemkonform sei allein der Schutz der bereits beschäftigten Arbeitnehmerinnen. So kann der Betriebsrat beim Arbeitgeber z. B. bei Einstellungen oder der Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen auf die bevorzugte Berücksichtigung von (bisher benachteiligten) Frauen hinwirken. Da die Vorschrift auf die "tatsächliche" Gleichstellung abstellt, ist eine rein formale, d. h. juristische Gleichstellung der Geschlechter nicht ausreichend.

 

Rz. 20a

Mit dem am 6.7.2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz[2] soll der bestehende Rechtsrahmen für eine umfassende Durchsetzung von Entgeltgleichheit im Sinne "gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit" zwischen Frauen und Männern verbessert werden. Bei der Umsetzung weist das Gesetz Betriebsräten eine zentrale Rolle zu. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes ist insbesondere die Einführung eines individuellen Auskunftsanspruchs für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten bei gleichzeitiger Stärkung des Betriebsrats im Rahmen der Wahrnehmung des Auskunftsanspruchs. In tarifgebunden bzw. tarifanwendenden Unternehmen ist Adressat des Auskunftsverlangens der Beschäftigten grundsätzlich der Betriebsrat, wenn dieser nicht ausdrücklich verlangt, dass der Arbeitgeber die Auskunftsverpflichtung übernimmt, oder wenn der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat erklärt, er selbst werde diese Verpflichtung übernehmen. Denn das neue Gesetz weist dem Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG die Wahrnehmung der neuen Aufgabe der Auskunftserteilung (§ 14 Abs. 1 EntgTranspG und § 15 Abs. 2 EntgTranspG) zu (§ 13 Abs. 1 EntgTranspG). Damit soll unterstrichen werden, dass (auch) das Thema Entgeltgleichheit eine allgemeine Aufgabe des Betriebsrates darstellt, da es sich dabei um einen Anwendungsfall der Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern handelt.[3]

[1] Rieble, ZIP 2001, 133, 141.
[2] Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen, BGBl. I Nr. 44 vom 5.7.2017, Seite 2152 ff.
[3] BT-Drs. 18/11133, S. 62.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Personal Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge