1 Vorbemerkungen

 

Rz. 1

Die Vorschrift dient dem Schutz der in Satz 1 genannten betriebsverfassungsrechtlichen Funktionsträger und der Unabhängigkeit ihrer Amtsführung. Die Schutzwirkung wird nicht nur gegenüber dem Arbeitgeber entfaltet, sondern gegenüber jedermann, so z. B. auch gegenüber Arbeitnehmern, die die Tätigkeit des Betriebsrats stören wollen oder gegen Gewerkschaften, die keinen Druck auf ein ausgetretenes Mitglied des Betriebsrats ausüben dürfen, sein Amt niederzulegen. Diese allgemeine Vorschrift ergänzt die zahlreichen speziellen Schutznormen wie z. B. § 37 BetrVG, § 15 KSchG. Der Schutzbereich der Vorschrift umfasst auch die Auskunftspersonen des Wirtschaftsausschusses (§ 80 Abs. 2 Satz 3 BetrVG). Ähnliche Schutzvorschriften sind in Spezialgesetzen für die dort genannten Beauftragten enthalten (§§ 58, 58d BIMSchG, 30 Abs. 4 StSchVO, 14 RöV, 8 ASiG, 36 Abs. 3 BDSG, 19 GenTSV).

2 Schutz vor Störung und Behinderung

 

Rz. 2

Der Begriff der Behinderung nach § 78 Satz 1 BetrVG ist umfassend zu verstehen. Er erfasst jede unzulässige Erschwerung, Störung oder gar Verhinderung der Betriebsratsarbeit (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 11.1.2022, 2 TaBV 30/21). Jede objektive Behinderung der Betriebsratstätigkeit ist von dem Verbot erfasst, unabhängig davon, ob sie mit dem Ziel der Behinderung ausgeübt wird oder schuldhaft erfolgt (LAG Hamm, Beschluss v. 23.6.2014, 13 TaBVGa 20/14). Das LAG Hamm meint, dass Anweisungen des Arbeitgebers, die sich nicht im Rahmen der betriebsverfassungsrechtlichen Normen halten, in der Regel als Störung der Betriebsratsarbeit zu qualifizieren seien (LAG Hamm, Beschluss v. 26.11.2013, 7 TaBV 74/13).

Auch wenn der Arbeitgeber die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an Personalgesprächen i. S. v. § 82 BetrVG von einer entsprechenden Vorankündigung abhängig macht, liegt eine unzulässige Behinderung vor. Es gibt kein schützenswertes Interesse des Arbeitgebers, vorher zu wissen ob, bzw. welches Betriebsratsmitglied an einem Personalgespräch nach § 82 Abs. 2 BetrVG teilnimmt (LAG Hessen v. 7.12.2015, 16 TaBV 140/15).

Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied wird unzulässig benachteiligt, wenn der Arbeitgeber verlangt, dass das Betriebsratsmitglied im Rahmen der bestehenden vertraglichen Vereinbarung durchschnittlich 40 Wochenstunden Betriebsratsarbeit leisten muss, um die vereinbarte Grundvergütung vollständig zu verdienen, obwohl vergleichbare Schichtarbeiter ihre vertraglich vereinbarte Grundvergütung regelmäßig auch dann vollständig erhalten, wenn sie "nur" die im Schichtsystem durchschnittlich anfallenden 36,75 Wochenstunden leisten (LAG Sachsen v. 27.10.2015, 3 Sa 267/15, n. rkr., Revision anhängig unter 7 AZR 731/15). Auch ein Unterlassen kann eine unzulässige Behinderung darstellen, wenn eine Pflicht zum Handeln besteht.

 
Praxis-Beispiel

Der Arbeitgeber unterlässt es, dem Betriebsrat die für seine Tätigkeit dringend benötigten Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Auch dies wird vom Behinderungsverbot umfasst.

Auch die rechtswidrige Einstellung der Vergütungszahlung an ein Betriebsratsmitglied während des laufenden Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 103 BetrVG kann eine Handlungs- oder Unterlassungsansprüche nach § 78 Satz 1 BetrVG auslösende Störung der Betriebsratstätigkeit darstellen, wenn der Betriebsrat glaubhaft macht, dass dem Betriebsratsmitglied dadurch für die weitere Betriebsratstätigkeit finanziell der Boden entzogen würde (Hessisches LAG, Beschluss v. 3.5.2007, 9 TaBVGa 72/07).

Einem freigestellten und mit einem Hausverbot belegten Arbeitnehmer, der zugleich Betriebsratsvorsitzender ist, darf der Zutritt zum Betrieb nicht verwehrt werden. Das Zutrittsrecht darf auch nicht auf bestimmte Sprechzeiten beschränkt werden, die Tätigkeit des Betriebsrats kann jederzeit erforderlich sein. Auch die Freistellung von der Arbeitsverpflichtung ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, da hiervon die Tätigkeit als Betriebsrat nicht berührt ist.[1] Im Falle der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds besteht grundsätzlich während der Dauer der Ungewissheit, ob die Kündigung wirksam ist, auch kein Recht des betroffenen Betriebsratsmitgliedes auf Zutritt zum Betrieb, sondern vielmehr ist von einer Verhinderung gemäß § 25 Abs. 1 BetrVG auszugehen. Davon ist aber dann eine Ausnahme zu machen, wenn es sich um eine offensichtlich unwirksame Kündigung handelt (LAG Hamm, Beschluss v. 23.6.2014, 13 TaBVGa 20/14).

Betriebsratsmitgliedern des Verleiherbetriebs ist ein anlassbezogenes Zutrittsrecht zum Entleiherbetrieb zu gewähren, soweit dieser betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben im Entleiherbetrieb wahrzunehmen hat (BAG, Beschluss v. 15.10.2014, 7 ABR 74/12).

Eine unzulässige Behinderung der Betriebsratsarbeit kann auch darin liegen, dass der Arbeitgeber einem vom Betriebsrat benannten Beisitzer wegen dessen Äußerungen in der Einigungsstelle eine Kündigung androht. Dabei ist nicht nur das Betriebsratsmitglied, sondern auch der Betriebsrat als Kollegialorgan betroffen (LAG Niedersachsen, Besch...

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