Rz. 41

Wechselt der Inhaber eines Betriebs, so bleiben die bisherigen Betriebsvereinbarungen grundsätzlich in Kraft, ohne dass es irgendeines Transformationsaktes bedarf, sofern die Identität des Betriebs gewahrt bleibt (BAG, Beschluss v. 25.2.2020, 1 ABR 39/18[1]). Dies gilt sowohl für den rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang gem. § 613a BGB als auch für die Gesamtrechtsnachfolge bei Erbschaft gem. § 1922 BGB. Die Regelung in § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ändert hieran nichts. Nach dieser Bestimmung gelten die bisherigen Betriebsvereinbarungen als Inhalt der Einzelvereinbarungen weiter. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Auffangtatbestand nur für die Fälle, in denen die Identität des Betriebs durch den Betriebsübergang verloren geht.

Eine im Betrieb eines konzernangehörigen Unternehmens geltende Konzernbetriebsvereinbarung gilt dort normativ als Einzelbetriebsvereinbarung weiter, wenn das Unternehmen infolge einer Übertragung seiner Geschäftsanteile aus dem Konzern ausscheidet und nicht unter den Geltungsbereich einer im neuen Konzernverbund geltenden Konzernbetriebsvereinbarung mit demselben Regelungsgegenstand fällt (BAG, Beschluss v. 25.2.2020, 1 ABR 39/18[2]).

 
Praxis-Beispiel

Der bisherige Betriebsinhaber, ein Einzelkaufmann, verkauft seinen Betrieb an eine GmbH, die schon drei Betriebsstätten hat. Bleibt der übernommene Betrieb bestehen, so gelten die für ihn abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen als solche weiter. Sie werden nur dann Inhalt der Einzelarbeitsverhältnisse, wenn der Betrieb aufgelöst und z. B. in einen bereits bestehenden Betrieb integriert wird.

Eine Ausnahme besteht jedoch: Wenn in dem übernehmenden Unternehmen eine Gesamtbetriebsvereinbarung besteht, die denselben Gegenstand so genau regelt, dass für einzelne Betriebsvereinbarungen kein Raum mehr bleibt, enden diese mit der Übernahme. Die Ansprüche der Arbeitnehmer richten sich nur noch nach der Gesamtbetriebsvereinbarung (BAG, Urteil v. 27.6.1985, 6 AZR 392/81[3]).

 

Rz. 42

Wird der übernommene Betrieb eingegliedert und verliert seine Identität, enden die dortigen Betriebsvereinbarungen. Die Betriebsvereinbarungen des aufnehmenden Betriebs bleiben bestehen und entfalten auch Wirksamkeit für die neu hinzugekommenen Arbeitnehmer, die über § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB geschützt sind.

Individualrechtlich können nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur solche Rechte und Pflichten aus einer beim Veräußerer geltenden Betriebsvereinbarung in das Arbeitsverhältnis transformiert werden, die dessen Inhalt gestalten (BAG, Urteil v. 19.11.2019, 1 AZR 386/18).

Bei einer Verschmelzung zweier Betriebe enden die für sie abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen in der Regel, wenn die Betriebe nicht mehr voneinander abgegrenzt werden können. Bestehen jedoch abgrenzbare Betriebsteile fort, finden die Betriebsvereinbarungen solange Anwendung, bis für den gesamten Betrieb eine neue Regelung getroffen worden ist. Unabhängig davon können die Arbeitnehmer aller verschmolzenen Betriebe nach wie vor Rechte aus den Betriebsvereinbarungen (Sozialplänen) herleiten, die gerade aus Anlass der Verschmelzung abgeschlossen wurden. Wird in dem Übernehmerbetrieb eine Betriebsvereinbarung mit demselben Inhalt abgeschlossen wie eine nur durch Transformation in das Individualarbeitsverhältnis weitergeltende, so gilt auch hier das Ablöseprinzip. Rechte aus einer Betriebsvereinbarung, die bei einem Betriebsübergang Inhalt des Einzelarbeitsvertrags werden (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB), genießen keinen größeren Schutz als die kollektivrechtlich fortgeltenden Betriebsvereinbarungen. Sie können daher durch eine neue, auch für den Arbeitnehmer ungünstigere Betriebsvereinbarung abgelöst werden (BAG, Urteil v. 28.6.2005, 1 AZR 213/04[4]).

 

Rz. 42a

Die Betriebspartner sind auch dann an die Gleichbehandlungspflicht gebunden, wenn sie bei der Regelung unterschiedliche Gruppen bilden, indem sie Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch einen Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613a BGB auf den Arbeitgeber übergeht, von einer Versorgungsordnung ausnehmen, nach dem Stichtag neu eintretende Arbeitnehmer jedoch nicht. Die Ungleichbehandlung ist in diesem Fall durch die besondere Situation, in der sich die Arbeitsvertragsparteien nach dem Betriebsübergang befinden, sachlich gerechtfertigt. Es ist nicht von vornherein absehbar, welche Arbeits-, insbesondere Versorgungsbedingungen, in derartigen Arbeitsverhältnissen gelten und welche Unterschiede zu denen der anderen Arbeitnehmer bestehen. Dies spricht dagegen, die Versorgungsordnung gleichsam automatisch auf die Arbeitnehmer anzuwenden, deren Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang auf die Arbeitgeberin übergeht (BAG, Beschluss v. 19.1.2010, 3 ABR 19/08).

[1] NZA 1995, 222.
[2] S. dort auch zu den umfangreichen rechtlichen Konsequenzen.
[3] DB 1986, 596.
[4] AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung.

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