Rz. 23

Abgesehen von der Beschlussfassung[1] regelt das Gesetz das Verfahren vor der Einigungsstelle nicht. Die Betriebspartner können Einzelheiten des Verfahrens durch freiwillige Betriebsvereinbarung regeln (§ 76 Abs. 4 BetrVG). Die Grundregeln des rechtsstaatlichen Verfahrens sind einzuhalten, insbesondere hinsichtlich der Gewährung rechtlichen Gehörs. Gem. § 76 Abs. 3 Satz 1 BetrVG muss die Einigungsstelle unverzüglich, also "ohne schuldhaftes Zögern" tätig werden Die Nichtbeachtung der Vorschrift führt jedoch nicht zu Sanktionen. Im erzwingbaren Einigungsstellenverfahren kann grundsätzlich keine Seite die Mitwirkung an der Bildung der Einigungsstelle verweigern (LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 22.11.2012, 10 TaBV 37/12)

 

Rz. 24

Der Antrag auf Durchführung des Verfahrens kann jederzeit zurückgenommen werden. Sofern nicht ein Antrag der Gegenseite vorliegt und ein erzwingbares Verfahren gegeben ist, wird das Verfahren damit beendet. Bei der Beschlussfassung ist die Einigungsstelle nicht an die Anträge der Beteiligten gebunden. Sie kann aber nur die Angelegenheit regeln, derentwegen sie angerufen wurde. Es liegt im Ermessen der Einigungsstelle, zunächst durch Zwischenbeschluss über ihre Zuständigkeit zu entscheiden, wenn das Arbeitsgericht gem. § 100 Abs. 1 ArbGG nur darüber befunden hat, dass sie nicht offensichtlich unzuständig ist. Dieser Zwischenbeschluss ist nicht isoliert angreifbar. Verneint er die Zuständigkeit, muss die Einigungsstelle sie durch Beschluss einstellen. Dies ist eine Rechtsfrage, die im vollen Umfang der Überprüfung durch die Gerichte für Arbeitssachen unterliegt.[2] Die Gerichte für Arbeitssachen können die Unwirksamkeit des Beschlusses feststellen. Dann muss die Einigungsstelle ihre Tätigkeit fortsetzen. Bejaht die Einigungsstelle im Zwischenbeschluss ihre Zuständigkeit, ist dies nicht isoliert anfechtbar, sondern eine Überprüfung kann nur inzident bei der Kontrolle des abschließenden, die Einigung der Betriebspartner ersetzenden Beschlusses erfolgen.

 

Rz. 25

Es liegt im Ermessen der Einigungsstelle, inwieweit sie schriftlich oder mündlich verhandeln will. Da sie ihre Beschlüsse aber nach mündlicher Beratung fassen muss (§ 76 Abs. 3 Satz 2 BetrVG), ist zur Beschlussfassung zumindest eine Sitzung abzuhalten. Die Sitzungen sind nicht öffentlich. Betriebsangehörige haben kein eigenes Teilnahmerecht. Allerdings hat das BAG entschieden, dass die Beteiligten (Arbeitgeber und Betriebsrat) Zugang zu den Sitzungen haben ("Parteiöffentlichkeit"; BAG, Beschluss v. 18.1.1994, 1 ABR 43/93[3]). Deshalb bestehen keine Bedenken dagegen, dass Betriebsratsmitglieder, die keine Mitglieder der Einigungsstelle sind, bis unmittelbar vor Beginn der Schlussberatung an den Verhandlungen der Einigungsstelle teilnehmen (Hessisches LAG, Beschluss v. 3.8.2015, 16 TaBV 200/14). Auch die Hinzuziehung eines Protokollführers ist zulässig. Von der Verhandlung in den Sitzungen ist aber die Beratung des Beschlusses streng zu trennen. Die abschließende mündliche Beratung und Beschlussfassung ist streng geheim. Andere Personen als die Mitglieder der Einigungsstelle (Beisitzer und Vorsitzender) dürfen nicht teilnehmen – insbesondere nicht die Betriebspartner und deren Verfahrensbevollmächtigte, soweit sie nicht persönlich Mitglied der Einigungsstelle sind (LAG Hessen, Beschluss v. 3.8.2015, 16 TaBV 200/14).

 

Rz. 26

Besteht gegenüber dem Vorsitzenden die Besorgnis der Befangenheit, so kann er entsprechend den Vorschriften der ZPO über die Ablehnung von Schiedsrichtern im schiedsgerichtlichen Verfahren abgelehnt werden (BAG, Beschluss v. 11.9.2001, 1 ABR 5/01[4]). Ein Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden einer Einigungsstelle kann nicht ein anderes Mitglied der Einigungsstelle, sondern nur eine der beiden Betriebsparteien selbst anbringen (LAG Hamm, Beschluss v. 23.8.2019, 13 TaBV 44/18). Über diesen Antrag wird zunächst in der Einigungsstelle ohne Mitwirkung des Vorsitzenden abgestimmt. Findet sich keine Mehrheit, kann in Anlehnung an § 1037 Abs. 3 Satz 1 ZPO das Arbeitsgericht angerufen werden. Einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der betrieblichen Einigungsstelle können nur die Betriebsparteien selbst und nicht in ihrer Vertretung die in die Einigungsstelle entsandten Beisitzer stellen (BAG, Beschluss v. 29.1.2002, 1 ABR 18/01[5]). Der Antrag der Betriebsratsseite bedarf daher eines Betriebsratsbeschlusses. Anträge der Arbeitgeberseite sind von der nach außen hin vertretungsberechtigten Person des Unternehmens (Geschäftsinhaber, Geschäftsführer, Vorstand) zu stellen. Über die Ablehnung befindet zunächst die Einigungsstelle. Der Vorsitzende ist von der Teilnahme an der Beschlussfassung ausgeschlossen. Über die Ablehnung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle ist nicht im Verfahren nach § 100 ArbGG, sondern im normalen Beschlussverfahren zu entscheiden.[6] Zweifel an der Unparteilichkeit eines Einigungsstellenvorsitzenden folgen weder aus der Erklärung, dass die Entscheidung über den Antrag der Arbeitgeberse...

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