Rz. 13

Das gerichtliche Bestellungsverfahren ist jetzt in § 100 BetrVG geregelt, ohne dass sich inhaltliche Änderungen ergeben hätten. Bezüglich des unparteiischen Vorsitzenden ist eine Einigung zwischen den Betriebsparteien zu erzielen. Gelingt dies nicht, wird das Arbeitsgericht tätig. Erforderlich ist unbedingt ein Antrag einer der Betriebspartner. Dabei muss der Streitgegenstand erläutert werden. Der Antrag muss dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 ZPO entsprechen (LAG Schleswig-Holstein v. 21.1.2014, 1 TaBV 47/139). So wurde ein Antrag hinsichtlich der Einigungsstelle zur "Aufstellung einer Betriebsvereinbarung über" mobiles Arbeiten", insbesondere mit den Aspekten "Arbeitsschutz" und "Arbeitszeit" als nicht hinreichend bestimmt angesehen, wohl jedoch der Hilfsantrag "Betriebsvereinbarung, die die Bedingungen des mobilen Arbeitens unter den Aspekten des Arbeitsschutzes, der Arbeitszeitfestlegung, des Einsatzes von Überwachungstechnik, der betrieblichen Berufsbildung und der Aufstellung von Beurteilungsbedingungen regeln soll, soweit keine anderen geltenden, nicht gekündigten und nicht auslaufenden betrieblichen Vereinbarungen hierzu existieren"" (LAG Köln, Beschluss v. 23.4.2021, 9 TaBV 9/21).

Ferner ist zum Nachweis des Rechtsschutzbedürfnisses darzulegen, dass wenigstens der Versuch einer Einigung unternommen worden ist (vgl. LAG Hamm, Beschluss v. 10.12.2007, 13 TaBV 118/07), der Antragsteller demnach geltend macht, dass entweder die Gegenseite Verhandlungen über das Regelungsverlangen ausdrücklich oder konkludent verweigert hat oder mit Verständigungswillen geführte Verhandlungen gescheitert sind (BAG, Beschluss v. 18.3.2015, 7 ABR 4/13; LAG Niedersachsen, Beschluss v. 5.5.2009, 1 TaBV 28/09). Das Rechtsschutzbedürfnis setzt nicht voraus, dass die Betriebspartner zuvor bereits mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandelt haben (LAG Hamm, Beschluss v. 29.2.2008, 13 TaBV 6/08; Beschluss v. 11.2.2008, 10 TaBV 141/07; LAG Düsseldorf verlangt vorheriges "ernsthaftes Verhandeln", Beschluss v. 9.6. 2020, 3 TaBV 31/20; vgl. weiter LAG München, Beschluss v. 4.4.2007, 8 TaBV 13/07[1]; LAG Rheinland-Pfalz v. 2.11.2012, 9 TaBV 34/12, wonach die subjektive Einschätzung einer Seite ausreicht, dass ohne Einigungsstelle keine Lösung gefunden werden wird). Die Beachtung von § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ist keine Voraussetzung für die Anrufung der Einigungsstelle. Vielmehr ist dem Beschleunigungszweck von § 100 ArbGG Rechnung zu tragen, nach dem möglichst schnell eine formal funktionsfähige Einigungsstelle zur Verfügung stehen soll, um weitere Verzögerungen der Verhandlungen in der Sache zu vermeiden (LAG Hamm, Beschluss v. 10.12.2007, 13 TaBV 118/07 und v. 14.5.2014, 7 TaBV 21/14 mit der Feststellung, dass Gerichte für Arbeitssachen "nicht befugt sind, anhand objektiver Kriterien bis ins letzte Detail aufzuklären, ob noch ein betrieblicher Verhandlungsspielraum besteht, bevor eine Einigungsstelle eingerichtet wird. Vielmehr obliegt dem Arbeitsgericht im Bestellungsverfahren nach § 100 ArbGG lediglich eine sogenannte Missbrauchskontrolle, nämlich die Prüfung der Frage, ob der Antrag eines Betriebspartners auf Einrichtung einer Einigungsstelle willkürlich rechtsmissbräuchlich ist"). Für Sozialplanverhandlungen wird aber vertreten, dass von einem Scheitern des Einigungsversuchs erst gesprochen werden kann, wenn zuvor mit dem ernsthaften Willen zur Einigung verhandelt worden war (LAG München, Beschluss v. 13.4.2007, 11 TaBV 92/06; Hessisches LAG, Beschluss v. 17.4.2007, 4 TaBV 59/07[2]; vgl. auch LAG Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.9.2019, 15 TaBV 4/19). Vertreten die Betriebsparteien vor oder im Einigungsstellenbestellungsverfahren miteinander unvereinbare Standpunkte und sind sie nicht bereit, von diesen abzurücken, bedarf es keiner weiteren innerbetrieblichen Verhandlungen. Dies gilt auch dann, wenn die konträren Standpunkte nicht die Sache, sondern die weitere Verfahrensweise betreffen (LAG Hessen, Beschluss v. 30.9.2014, 4 TaBV 157/14). Das LAG München lässt die subjektive Einschätzung jedes Betriebspartners gelten, die nicht offensichtlich unbegründet sein darf (LAG München, Beschluss v. 25.3.2021, 3 TaBV 3/21).

Eine Schriftform für die Feststellung des Scheiterns besteht jedoch nicht (LAG München, Beschluss v. 13.4.2007, 11 TaBV 92/06). Eine Aussetzung des Einigungsstellenbestellungsverfahrens aufgrund eines dieselbe Materie betreffenden anderweitigen Beschlussverfahrens zwischen den Betriebsparteien kommt grundsätzlich nicht in Betracht (LAG Hessen, Beschluss v. 27.1.2015, 4 TaBV 220/14).

 

Rz. 14

Das Gericht prüft nicht die Zuständigkeit der Einigungsstelle im Detail, sondern darf den Antrag nur dann ablehnen, wenn die Einigungsstelle "offensichtlich unzuständig"ist (s. § 100 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Der gerichtliche Prüfungsmaßstab ist also sehr grob. Eine offensichtliche Unzuständigkeit liegt nur dann vor, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Be...

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