1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 72 enthält Regelungen über die Voraussetzungen für die Errichtung (Abs. 1), die Mitgliederzahl (Abs. 2), die Bestellung von Ersatzmitgliedern (Abs. 3), die Möglichkeit der Gestaltung der Mitgliederzahl durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung (Abs. 4 bis 6), die Stimmengewichtung in der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung (GesJAV, Abs. 7) sowie zur Einbeziehung von Jugendlichen und Auszubildenden, die in Gemeinschaftsbetrieben beschäftigt werden (Abs. 8). Die Vorschrift lehnt sich insoweit an § 47 BetrVG, der die Bildung des Gesamtbetriebsrats (GesBR) regelt, an.

 

Rz. 2

Die GesJAV soll dazu dienen sicherzustellen, dass auch auf Unternehmensebene ein Gremium zur Wahrnehmung der Belange und Interessen der Jugendlichen und Auszubildenden besteht.

Gem. § 72 Abs. 1 ist eine GesJAV zu bilden, wenn in einem Unternehmen mehrere JAVen gewählt sind.

 

Rz. 3

Die Vorschrift enthält zwingendes Recht. Sie kann nicht durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abbedungen werden. Eine Ausnahme gilt nur für die in Abs. 4 - 6 ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine vom Gesetz abweichende Mitgliederzahl festzulegen.

2 Stellung der GesJAV

2.1 Gegenüber den JAV

 

Rz. 4

Die GesJAV steht neben den JAVen. Sie ist ihnen weder über- noch untergeordnet. Die GesJAV ist zuständig für Angelegenheiten, die die Jugendlichen und Auszubildenden des Gesamtunternehmens oder zumindest mehrerer Betriebe betreffen und die nicht durch die JAVen in den einzelnen Betrieben geregelt werden können. Insoweit gelten die gleichen Voraussetzungen wie für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen GesBR und BR gem. § 50 BetrVG.[1]

[1] S. daher im Einzelnen Kommentierung oben zu § 50 BetrVG.

2.2 Gegenüber dem GesBR

 

Rz. 5

Die GesJAV hat im Verhältnis zum GesBR dieselbe Stellung wie die JAV zum BR.[1] Auch die GesJAV ist kein selbstständiges, neben dem GesBR bestehendes betriebsverfassungsrechtliches Organ mit selbstständigen Vertretungsrechten gegenüber dem Arbeitgeber. Auch sie kann ihre Aufgaben nur durch und über den GesBR wahrnehmen und hat nicht das Recht, direkte Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen.

[1] Vgl. dazu oben Kommentierung zu § 60 BetrVG.

3 Errichtung und Zusammensetzung

3.1 Errichtung

 

Rz. 6

Eine GesJAV muss errichtet werden, wenn in einem Unternehmen mehrere JAVen bestehen (§ 72 Abs. 1). Pro Unternehmen kann nur eine GesJAV gebildet werden.[1]

 

Rz. 7

Weitere Voraussetzung ist, dass in dem Unternehmen ein GesBR besteht bzw. gem. § 47 Abs. 1 gebildet werden muss.[2]

 

Rz. 8

Die Bildung der GesJAV ist zwingend, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Die JAVen sind verpflichtet, die GesJAV zu bilden. Einer Beschlussfassung der JAVen hierüber bedarf es nicht.[3]

 

Rz. 9

Die GesJAV ist – ebenso wie der GesBR – eine Dauereinrichtung. Daher hat sie auch keine feste Amtszeit. Sie endet nur dann, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Errichtung entfallen. Im Übrigen bleibt sie bestehen, weder die einzelne JAV noch die GesJAV können sie auflösen.[4]

[1] Richardi/Annuß, § 72 BetrVG Rz. 7.
[2] Richardi/Annuß, § 72 BetrVG Rz. 5.
[3] Richardi/Annuß, § 72 BetrVG Rz. 6.
[4] Fitting/Schmidt u. a., § 72 BetrVG Rz. 13.

3.2 Zusammensetzung

 

Rz. 10

Die GesJAV setzt sich zusammen aus Mitgliedern der einzelnen JAVen, die in die GesJAV entsandt werden. Gem. § 72 Abs. 2 ist jede JAV berechtigt, ein Mitglied zu entsenden. Dieses Recht steht auch der in einem Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen bestehenden JAV zu. Gem. § 72 Abs. 4 bis 6 können durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung abweichende Regelungen hinsichtlich der Entsendung getroffen werden.

 

Rz. 11

Darüber, welches ihrer Mitglieder in die GesJAV entsandt werden soll, entscheidet die jeweilige JAV durch einfachen Mehrheitsbeschluss. Unterbleibt eine entsprechende Beschlussfassung und damit die Entsendung eines Mitglieds, kann dies eine schwere Pflichtverletzung darstellen mit der Folge, dass gem. §§ 65 Abs. 1 i. V. m. 23 Abs. 1 BetrVG die Auflösung der JAV gerechtfertigt sein kann.

 

Rz. 12

Gem. § 72 Abs. 3 muss die JAV für das von ihr entsandte Mitglied mindestens ein Ersatzmitglied bestellen. Die Bestellung erfolgt ebenfalls durch einfachen Mehrheitsbeschluss. Als Ersatzmitglied bestellt werden kann nur, wer der JAV angehört. Werden mehrere Ersatzmitglieder bestellt, muss die JAV durch einfachen Mehrheitsbeschluss auch über die Reihenfolge ihres Nachrückens in die GesJAV entscheiden. Das Ersatzmitglied rückt im Fall der Verhinderung oder des Ausscheidens des "Hauptmitglieds" in die GesJAV nach.

 

Rz. 13

Die JAV hat das Recht, das von ihr in die GesJAV entsandte Mitglied jederzeit ohne Angabe von Gründen wieder abzuberufen. Die Abberufung ist mit einfacher Mehrheit zu beschließen. Wird das Mitglied abberufen, rückt grundsätzlich das Ersatzmitglied entsprechend der nach § 72 Abs. 3 festgelegten Reihenfolge nach, es sei denn, die JAV trifft hierzu mehrheitlich eine andere Entscheidung.[1]

[1] Fitting/Schmidt u. a., § 72 BetrVG Rz. 23.

3.3 Konstituierende Sitzung

 

Rz. 14

Gem. § 72 Abs. 2 i. V. m. § 51 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat die JAV, die bei der Hauptverwaltung des Unternehmens gebildet ist, zur konstituierenden Si...

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