Rz. 3

Nach § 61 Abs. 1 i. V. m. § 60 BetrVG sind alle jugendlichen Arbeitnehmer unter 18 Jahren (aktiv) wahlberechtigt. Entscheidend ist das Alter am Tag der Wahl, bei einer sich über mehrere Tage hinziehenden Wahl kommt es auf das Alter am letzten Wahltag an.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitnehmer A vollendet am 10.10.2022 sein 18. Lebensjahr. Die Wahl zur JAV findet am 10.10.2022 statt. A ist nicht wahlberechtigt, weil er am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet.

 
Praxis-Beispiel

Arbeitnehmer A vollendet am 10.10.2022 sein 18. Lebensjahr. Die Wahl zur JAV findet vom 1. bis 9.10.2022 statt. A ist wahlberechtigt, weil er am letzten Wahltag (9.10.) das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

 

Rz. 4

Zwar sind Jugendliche unter 18 Jahren nach den Vorschriften des BGB nur beschränkt geschäftsfähig und bedürfen für Geschäfte grundsätzlich der Einwilligung ihrer gesetzlichen Vertreter (vgl. §§ 106 ff. BGB). Zur Ausübung des Wahlrechts nach § 61 BetrVG ist eine besondere Ermächtigung des Erziehungsberechtigten allerdings nicht erforderlich.[1]

 

Rz. 5

Die Wahlberechtigung setzt weiter voraus, dass der jugendliche Arbeitnehmer Beschäftigter des Betriebs ist. Er muss also in einem Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen und zur Belegschaft des Betriebs gehören.[2] Darüber hinaus muss der Jugendliche in die Wählerliste eingetragen sein, um sein Wahlrecht wahrnehmen zu können (vgl. dazu §§ 38, 2 Abs. 3 WO). Weitere Voraussetzungen müssen nicht erfüllt sein.

Zu den jugendlichen Arbeitnehmern, die in einem Ausbildungsverhältnis zum Betriebsinhaber stehen, können neben den eigentlichen Auszubildenden auch Praktikanten und Werkstudenten gehören. Voraussetzung ist, dass sie tatsächlich auf gewisse Dauer im Betrieb tätig sind und einen, einem Auszubildenden vergleichbaren, vertieften Einblick in den Betrieb und dessen Ablauf erhalten. Praktikanten und Werkstudenten, die dagegen nur sehr kurze Zeit, z. B. zur Absolvierung eines schulischen Betriebspraktikums für eine Woche einen nur allgemeinen Einblick ins Arbeitsleben erhalten, um sich bei ihrer Berufswahl besser orientieren zu können, sind in aller Regel nicht in den Betrieb eingegliedert und nicht wahlberechtigt. Sogenannte Betriebspraktika für Schüler stellen nach der Rechtsprechung (s. z. B. BAG, Urteil vom 08.05.1990, 1 ABR 7/89) keine Berufsausbildung dar, die teilnehmenden Schüler sind nicht wahlberechtigt. Gleiches gilt für Werkstudenten, die Gelegenheit erhalten, ihre Studien-, Diplom- oder Doktorarbeit anzufertigen. Erhalten sie zu diesem Zweck Einblicke in einen Betrieb, stellt dies ebenfalls keine Berufsausbildung dar mit der Folge, dass sie nicht wahlberechtigt sind. Etwas anderes gilt dagegen für Studierende, die im Rahmen sog. dualer Studiengänge sowohl mit einer (Fachhoch-)Schule als auch mit einem Unternehmen Verträge abschließen, wonach ein Wechsel zwischen Studien- und Ausbildungszeiten im Unternehmen vorgesehen ist. Sie erhalten nicht nur einen allgemeinen Überblick über die betriebliche Tätigkeit, sondern fundierte Einblicke in die unternehmerische Praxis, sodass sie als wahlberechtigt anzusehen sind.

[1] GK-BetrVG/Oetker, § 61 Anm. Rz. 9 ff., 13.
[2] Fitting/Schmidt u. a., § 61 BetrVG Rz. 5.

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