Rz. 12

Auch der Arbeitnehmer, der die Sprechstunde aufsucht, kann für Arbeitsversäumnis, die zu diesem Zweck erforderlich ist, die Fortzahlung seines Arbeitsentgelts verlangen (Abs. 3).

 
Hinweis

Dieses Recht wird man auch Leiharbeitnehmern zubilligen müssen.[1] Nach § 14 Abs. 1 AÜG können sie zwar bereits die Sprechstunde des Betriebsrats im Verleihbetrieb aufsuchen, jedoch wird man bei nicht nur kurzfristiger Überlassung nach Sinn und Zweck des § 39 BetrVG auch im Entleiherbetrieb den Besuch der Sprechstunde zulassen müssen, da ebenso ein Kommunikationsbedürfnis zwischen den "in der Regel" im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmern und dem Betriebsrat bestehen kann (vgl. die Kommentierung zu § 38 BetrVG Rz. 4).

Der Anspruch aus Abs. 3 besteht auch, wie ausdrücklich klargestellt wird, wenn ein Arbeitnehmer den Betriebsrat in sonstiger Weise in Anspruch nimmt. Das ist vor allem von Bedeutung, wenn der Betriebsrat keine Sprechstunden abhält oder wenn nach der internen Geschäftsverteilung ein Betriebsratsmitglied zuständig ist, das nicht mit der Wahrnehmung der Sprechstunde beauftragt ist, z. B. für die Entgegennahme einer Beschwerde im Rahmen des kollektiven Beschwerdeverfahrens nach § 85 BetrVG.

 

Rz. 13

Das Gesetz geht zwar davon aus, dass ein Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit die Sprechstunden des Betriebsrats besuchen oder ihn sonst in Anspruch nehmen kann. Das entbindet ihn aber nicht von der Pflicht, sich ordnungsgemäß abzumelden. Der Arbeitnehmer hat also grundsätzlich nicht das Recht, eigenmächtig den Arbeitsplatz zu verlassen.[2] Der Arbeitnehmer braucht jedoch nicht den Grund anzugeben, weshalb er an den Betriebsrat herantreten will, sondern es genügt die Angabe des Zeitpunkts. Wird dem Arbeitnehmer ohne triftigen Grund die Freistellung verweigert, kann er sich ausnahmsweise selbstständig entfernen, um die Sprechstunde aufzusuchen oder sonst an den Betriebsrat heranzutreten.[3] Der Arbeitnehmer muss sich aber in jedem Fall ordnungsgemäß ab- und zurückmelden.

 

Rz. 14

Die Versäumnis der Arbeitszeit muss erforderlich sein, um die Sprechstunde zu besuchen oder sonst an den Betriebsrat heranzutreten. Der Anspruch auf Arbeitsbefreiung besteht daher nicht, wenn ein Querulant ständig die Sprechstunde aufsuchen will.[4]

 
Praxis-Beispiel

Nicht erforderlich ist der Besuch der Sprechstunde, wenn der Arbeitnehmer sich nur über eine Frage kollektiver Bedeutung (z. B. Arbeitszeit für alle Arbeitnehmer, zukünftige Betriebsstilllegung oder Änderung arbeitsrechtlicher Gesetze, Information durch den Betriebsrat über den Stand von Tarifverhandlungen) informieren will, wenn hierfür andere Hilfsmittel im Betrieb zur Verfügung stehen (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil v. 1.7.1986, 6 Sa 122/86; ArbG Osnabrück, Urteil v. 17.1.1995, 3 Ca 720/94[5]). Gleiches gilt auch dann, wenn der Besuch der Sprechstunde als kollektive Aktion durchgeführt wird, z. B. um dem Betriebsrat "Dampf zu machen" (ArbG Kassel, Urteil v. 12.11.1986, 6 Ca 163/86[6]).

 

Rz. 15

Da die Einrichtung der Sprechstunde bezweckt, die Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat organisatorisch sicherzustellen, zugleich aber auch an eine bestimmte Organisation zu binden, ist eine sonstige Inanspruchnahme des Betriebsrats in der Regel nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer die Sprechstunde des Betriebsrats während seiner Arbeitszeit aufsuchen kann.[7] Es besteht aber keine Pflicht des Betriebsratsmitglieds, den Arbeitnehmer auf die Sprechstunde zu verweisen (ebenso BAG, Beschluss v. 23.6.1983, 6 ABR 65/80[8]). Das Vorhandensein einer Sprechstunde schließt auch die sonstige Inanspruchnahme eines Betriebsratsmitglieds während der Arbeitszeit nicht aus, soweit dies erforderlich ist.

[1] Vgl. DKW/Wedde, § 39 Rz. 26; Fitting, § 39 Rz. 26.
[2] Fitting, § 39 Rz. 28; GK/Weber, § 39 Rz. 31 ff.
[3] GL/Marienhagen, § 39 Rz. 15.
[4] Brecht, § 39 Rz. 6; Fitting, § 39 Rz. 29.
[5] NZA 1987, 33; NZA 1995, 1013.
[6] NZA 1987, 534; vgl. Fitting, § 39 Rz. 25; a. A. DKW/Wedde, § 39 Rz. 17.
[7] GK/Weber, § 39 Rz. 35.
[8] ErfK/Koch, § 39 Rz. 1.

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