1 Allgemeines

 

Rz. 1

Neben der Übertragung von Aufgaben auf Ausschüsse (§§ 27, 28 BetrVG) kann der Betriebsrat Aufgaben auf Arbeitsgruppen übertragen, d. h. auf Gruppen von Arbeitnehmern, die damit gleichzeitig Normgeber und Normunterworfene sein können. Damit soll die engere Einbindung der Belegschaft in betriebsverfassungsrechtliche Fragen erreicht werden[1]. Den Arbeitnehmern soll Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Mitverantwortlichkeit abverlangt werden[2]. Zulässig ist eine solche Delegation allerdings nur in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern.

 

Rz. 2

Die Vorschrift wurde 2001 auf Vorschlag des DGB eingeführt[3]. In der Praxis wird von ihr soweit ersichtlich überhaupt kein Gebrauch gemacht[4]. Rechtsprechung dazu existiert jedenfalls nicht.

 

Rz. 3

Die Vorschrift gilt nicht für den Gesamtbetriebsrat (vgl. § 51 Abs. 1 BetrVG) sowie für den Konzernbetriebsrat (vgl. § 59 Abs. 1 BetrVG); ebenfalls nicht für die Jugend- und Auszubildendenvertretung, und zwar auf allen Ebenen (auch GJAV, KJAV) (vgl. §§ 65 Abs. 1, 73 Abs. 2, 73b Abs. 2 BetrVG). Für Arbeitnehmervertretungen nach § 3 BetrVG gilt die Regelung teils unmittelbar (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), teils entsprechend (§ 3 Abs. 1 Nr, 2, 3 BetrVG)[5]. § 28a BetrVG ist hinsichtlich der Voraussetzungen und der Rechtsfolgen der Übertragung von Aufgaben auf eine Arbeitsgruppe zwingendes Recht, von dem auch nicht durch Tarifvertrag abgewichen werden kann[6].

[1] BT-Drucksache 14/5741, S. 40.
[2] Fitting, § 28a BetrVG Rz. 1.
[3] BetrVG-Reformgesetz v. 23.7.2001, BGBl I S. 1852.
[4] Richardi/Thüsing, § 28a BetrVG Rz. 3.
[5] Fitting, § 28a BetrVG Rz. 2.
[6] Fitting, § 28a BetrVG Rz. 3.

2 Voraussetzungen für die Übertragung von Aufgaben auf Arbeitsgruppen

2.1 Zahl der Beschäftigten

 

Rz. 4

Um Aufgaben auf Arbeitsgruppen übertragen zu können, muss der Betrieb regelmäßig mehr als 100 Arbeitnehmer beschäftigen. Gezählt wird dabei nach Köpfen und nicht nach der Arbeitszeit (keine "Full Time Equivalents")[1]. Da es auf die "regelmäßig" Beschäftigten ankommt, ist ein kurzfristiges Über- oder Unterschreiten der 100er-Schwelle nicht zu berücksichtigen. Leitende Angestellte und Leiharbeitnehmer sind nicht mitzuzählen[2].

 

Rz. 5

Steigt die Beschäftigtenzahl auf über 100, können ab diesem Zeitpunkt auch durch Betriebsräte mit lediglich 5 Mitgliedern, Arbeitsgruppen gebildet und diese mit Aufgaben betraut werden[3]. Sinkt dagegen die Beschäftigtenzahl auf 100 oder weniger, endet die Rahmenvereinbarung mit dem Arbeitgeber unmittelbar. Die Arbeitsgruppe hat dann keine betriebsverfassungsrechtliche Bedeutung mehr. Die Übertragung von Aufgaben wird hinfällig, ohne dass es eines formellen Widerrufs durch den Betriebsrat bedürfte[4]. Die Zuständigkeit für die übertragenen Aufgaben liegt dann ohne zeitliche Zäsur wieder beim Betriebsrat. Vereinbarungen, die die Arbeitsgruppe geschlossen hat, behalten allerdings ihre Wirksamkeit[5]. Für Kündigung, Änderung oder Aufhebung ist dann wieder der Betriebsrat zuständig.

[1] Däubler/Wedde, § 28 BetrVG Rz. 3.
[2] Richardi/Thüsing, § 28a BetrVG Rz. 5; a. A. bzgl. der Leiharbeitnehmer: Fitting, § 28a BetrVG Rz. 8.
[3] Fitting, § 28a BetrVG Rz. 9.
[4] Richardi/Thüsing, § 28a BetrVG Rz. 6; a. A. Däubler/Wedde, § 28a BetrVG Rz. 13.
[5] Richardi/Thüsing, § 28a BetrVG Rz. 7.

2.2 Begriff der Arbeitsgruppe

 

Rz. 6

Der Begriff der Arbeitsgruppe ist im Gesetz nicht definiert. Jedenfalls erfasst sind die Arbeitsgruppen nach § 87 Abs. 1 Nr. 13 BetrVG[1]. Eine solche liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt. Aber auch Team- und Projektarbeiten können als Arbeitsgruppe gestaltet werden[2]. Ausreichend ist, dass die Arbeitsgruppe für begrenzte Zeit gemeinsam arbeitet. Letztendlich entscheidend ist, ob die Gruppe eine ausreichende Struktur sowie ein gemeinsames Arbeitsziel hat sowie von anderen Arbeitsbereichen klar abgrenzbar ist. Das schließt aber nicht aus, dass einzelne Arbeitnehmer mehreren Arbeitsgruppen angehören[3]. Unerheblich ist, ob die Arbeitsgruppe einen Vorgesetzten hat oder gemeinsam gegenüber dem Arbeitgeber verantwortlich ist[4].

 
Praxis-Beispiel
  • Die Arbeitnehmer eines IT-Help-Desk, die ausschließlich zur Hilfe und Unterstützung von anderen Mitarbeitern des Unternehmens eingesetzt sind, könnten eine Arbeitsgruppe darstellen und nach Übertragung der Aufgabe z. B. eine eigene flexible Arbeitszeitregelung mit dem Arbeitgeber vereinbaren.
  • Der Montageaußendienst einer Maschinenbauunternehmung könnte als Arbeitsgruppe Vereinbarungen über Lohnzuschläge für Außendiensteinsatz treffen.
  • Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung könnte als Arbeitsgruppe über eine eigene Vereinbarung über die Urlaubsgrundsätze mit dem Arbeitgeber verhandeln.
 

Rz. 7

Auch betriebsübergreifende Arbeitsgruppen werden für möglich gehalten[5]. Hier muss der Delegationsbeschluss aber durch alle beteiligten Betriebsräte erfolgen. Schließlich werden im Einzelfall auch unternehmensübergreifende Arbeitsgruppen für zulässig erachtet[6]. Voraussetzung ist dann aber, dass dies entweder innerhalb eines Konzerns erfolgt...

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