Rz. 24

§ 23 Abs. 3 BetrVG stellt als Gegenstück zu § 23 Abs. 1 und 2 BetrVG Sanktionen gegen den Arbeitgeber bei groben Verstößen gegen das Betriebsverfassungsgesetz zur Verfügung. Es kann die Unterlassung einer Handlung, die Duldung einer Handlung oder die Vornahme einer Handlung mithilfe des Arbeitsgerichts durchgesetzt werden. Dabei gibt die Vorschrift einen entsprechenden materiell-rechtlichen Anspruch.[1]

Die Vorschrift dient der Sicherstellung eines betriebsverfassungsrechtsgemäßen Verhaltens des Arbeitgebers.[2]

 

Rz. 25

Eine höchst umstrittene Neuregelung in § 17 Abs. 2 AGG, nach der § 23 Abs. 3 Satz 2 bis 5 BetrVG bei einem groben Verstoß des Arbeitgebers gegen die Bestimmungen des AGG für entsprechend anwendbar erklärt wird, sorgt für Diskussion: Nach dieser Regelung haben Betriebsrat und eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Möglichkeit, in diesem Fall gegen den Arbeitgeber gerichtlich vorzugehen. Es handelt sich jedoch in den Fällen, in denen einem Arbeitgeber ein Verstoß gegen das AGG vorgeworfen wird, in aller Regel um eine individualrechtliche Rechtsverfolgung, denn eine Benachteiligung aufgrund der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, der Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität ist in der Regel die Angelegenheit eines einzelnen Beschäftigten. Demgegenüber bezieht sich § 23 Abs. 3 BetrVG aber seinem Wortlaut nach auf grobe Verstöße des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen aus diesem Gesetz und damit auf Verstöße gegen betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtungen. Es bleibt abzuwarten, wie diese Neuregelung umgesetzt wird. Die anfangs herrschende Auffassung, dass § 23 Abs 3 Satz 2 bis 5 BetrVG nur bei einem Verstoß gegen das AGG mit kollektivem Bezug anwendbar sein soll und der Anwendungsbereich insofern eingeschränkt betrachtet werden muss, ist überholt.[3]

4.1 Antragsberechtigung

 

Rz. 26

Antragsberechtigt im Rahmen des § 23 Abs. 3 BetrVG sind lediglich der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft, nicht aber einzelne Betriebsratsmitglieder.[1] Anders als bei § 23 Abs. 1 BetrVG haben die Arbeitnehmer selbst keine Möglichkeit der Antragstellung.

4.2 Grobe Pflichtverletzung

 

Rz. 27

§ 23 Abs. 3 BetrVG betrifft nur den Verstoß gegen Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Jedoch werden auch die betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten aus anderen Gesetzen sowie Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen erfasst.[1]

 

Rz. 28

Die Pflichtverletzung ist – wie bei § 23 Abs. 1 BetrVG – grob, wenn sie objektiv erheblich und offensichtlich schwerwiegend ist.[2] Verschulden ist nicht erforderlich.[3]. Leichtere Verstöße können bei Wiederholungen zu einem groben Verstoß werden.[4]

 

Rz. 29

§ 23 Abs. 3 BetrVG greift nur ein, wenn ein Verstoß bereits begangen ist.[5] Vorbeugender Rechtsschutz bei drohender Pflichtverletzung wird somit durch § 23 Abs. 3 BetrVG nicht gewährt.

 

Rz. 30

Es ist umstritten, ob der Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG – wie sonst üblich – eine Wiederholungsgefahr voraussetzt.[6] Die Frage ist jedoch von geringer praktischer Relevanz, da die erforderliche Schwere des Pflichtverstoßes die Wiederholungsgefahr indizieren dürfte.

 

Rz. 31

Als Beispiele sind zu nennen:

  • die beharrliche Verweigerung der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat nach § 2 Abs 1. BetrVG,
  • die nachhaltige Missachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates[7],
  • die allgemeine Weigerung des Arbeitgebers, den Betriebsrat bei Versetzungen nach §§ 99 ff. BetrVG zu beteiligen[8],
  • die Weigerung, eine Betriebsvereinbarung durchzuführen,
  • die Behinderung der Bildung eines Betriebsrats.

    Kein grober Verstoß liegt hingegen vor, wenn der Arbeitgeber in einer ungeklärten Rechtsfrage nach einer vertretbaren Rechtsansicht handelt[9].

  • Verneint wurde ein Unterlassungsanspruch auch bei einem Verstoß gegen die Beteiligungsrechte des Betriebsrates gem. § 111 BetrVG im Falle einer geplanten Betriebsänderung.[10]
 

Rz. 31a

In besonders schwerwiegenden und begrenzten Ausnahmefällen kann der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 2 Abs. 1 BetrVG den Unterlassungsansprüchen gem. § 23 Abs. 3 BetrVG entgegenstehen.

Ein solcher eng begrenzter Ausnahmefall kann vorliegen, wenn sich die Betriebspartei auf eine formale Rechtsposition beruft, die sie nur durch ein besonders schwerwiegendes eigenes betriebsverfassungswidriges Verhalten erlangt hat.[11]

[1] Vgl. etwa BAG, Beschluss v. 23.6.1992, 1 ABR 11/92, NZA 1992, 1095.
[2] Vgl. etwa BAG, Beschluss v. 23.6.1992, 1 ABR 11/92, NZA 1992, 1095.
[4] LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 9.8.2007, 4 TaBVGa 2/07.
[6] Verneinend BAG, Beschluss v. 18.4.1985, 6 ABR 19/84, NZA 1985, 783; bejahend BAG, Besch...

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