Rz. 22a

Bei der Übernahme des Unternehmens sind die erforderlichen Unterlagen nach § 106 Abs. 2 Satz 2 BetrVG näher bezeichnet. Demnach zählen zu den erforderlichen Unterlagen nach der durch das Risikobegrenzungsgesetz[1] neu eingefügten Vorschrift insbesondere die Angabe über den potenziellen Erwerber und dessen Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Arbeitnehmer. Gleiches gilt, wenn im Vorfeld der Übernahme des Unternehmens ein Bieterverfahren durchgeführt wird.

Die Vorschrift ist sprachlich verunglückt, da es sich bei den geforderten Angaben um Auskünfte, nicht aber um Unterlagen handelt. Zudem werden inhaltlich von der Geschäftsführung der Zielgesellschaft Informationen verlangt, die vielfach nicht vorhanden sein werden, etwa hinsichtlich der Absichten potenzieller Erwerber.[2] Umstritten ist dabei insbesondere, ob nicht mit den erforderlichen Angaben existierende Unterlagen zu erstellen sind.[3]

Da der Geschäftsführung des Unternehmens nichts Unmögliches abverlangt werden kann, wird sich die Unterrichtungspflicht bei Unternehmensübernahmen insofern in aller Regel auf das beschränken, was ihr bekannt ist, bzw. was ihr nach Vornahme aller zumutbaren Anstrengungen bekannt sein müsste. Dabei kann ggf. eine verständliche Aufbereitung und Präsentation der Informationen für die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses verlangt werden.[4]

 

Rz. 22b

Unklar ist, wie im Fall eines Bieterverfahrens der Unternehmer den Wirtschaftsausschuss über alle potenziellen Erwerber und deren Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit informieren soll. Die Vertragsverhandlungen durchlaufen i. d. R. verschiedene Stadien, nicht präzisiert ist jedoch, ab welchem Zeitpunkt (bereits ab Erhalt eines Informationsmemorandums oder erst mit der Abgabe eines verbindlichen Angebots) überhaupt von einem "potenziellen" Erwerber gesprochen werden kann, sodass die Informationspflicht greift. Ein "potenzieller Erwerber" kann mit Blick auf den gesamten Ablauf daher in aller Regel erst dann erkannt werden, wenn ein Interessent ein bindendes Übernahmeangebot abgegeben oder er in konkrete Vertragsverhandlungen eingetreten ist und damit seine Erwerbsabsicht darlegt.[5]

 

Rz. 22c

Denkbar ist auch, dass das Zielunternehmen seinerseits das veräußernde Unternehmen bei der Unterrichtung der zuständigen Arbeitnehmervertretung unterstützt. Diese Vorgehensweise kann je nach strategischer Zielsetzung durchaus geeignet sein, die Zusammenarbeit zwischen dem späteren Übernehmer und der Belegschaft zu fördern.[6]

 

Rz. 22d

Offen ist, ob eine Pflicht zur Vorlage der Vereinbarung über die Veräußerung der Gesellschaftsanteile besteht.[7] Nach Auffassung der instanzgerichtlichen Rechtsprechung gehört der Kaufvertrag über die Gesellschaftsanteile nicht zu den vorzulegenden erforderlichen Unterlagen.[8] Hiergegen spricht bereits der Wortlaut des § 106 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Das LAG Baden-Württemberg weist zu Recht darauf hin, dass die Auffassung, der gesellschaftsrechtliche Vorgang der Unternehmensübernahme sei eine wirtschaftliche Angelegenheit i. S. d. Vorschrift, schon mit Blick auf diese gesetzliche Regelung abzulehnen ist. Als erforderliche Unterlagen würden insbesondere die Angaben über den potenziellen Erwerb und Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit des Unternehmens sowie daraus ergebende Auswirkungen auf die Arbeitnehmer aufgeführt. Bei "Angaben" handele es sich nicht um Unterlagen, vielmehr um Auskünfte. § 106 Abs. 2 Satz 2 BetrVG erweitere daher nicht die Vorlagepflicht, diese verbleibe bei § 106 Abs. 2 Satz 1 BetrVG. Mit der Gleichsetzung von Angaben und Unterlagen könne daher nur gemeint sein, dass das Unternehmen die entsprechenden Informationen zu dokumentieren und als selbst erstellte Unterlage entsprechend der Unterrichtungspflicht nach § 106 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zu erstellen habe. Dies mache auch Sinn, weil damit das Problem gelöst werde, dass es sich bei dem Kaufvertrag um eine Urkunde nicht des Unternehmens, sondern vielmehr der alten und der neuen Gesellschafter handele.[9]

 

Rz. 22e

Zur Rechtzeitigkeit der Information konkretisiert § 106 Abs. 2 Satz 2 BetrVG den Zeitpunkt insoweit, indem sich die Informationspflicht auf den "potenziellen Erwerber" konzentriert. Die Information dürfte in aller Regel somit nach Abschluss der Due Dilligence und weiteren konkreten Planungen (Aufnahme von Vertragsverhandlungen, Abschluss eines LOI etc.) zu erfolgen haben, wenn die konkreten Vertragsverhandlungen begonnen haben. "Due Dilligence" ist die sorgfältige Analyse, Prüfung und Bewertung eines Objekts bei einer beabsichtigten Unternehmenstransaktion insbesondere zur Beschaffung und Aufarbeitung von Informationen im Sinne einer Kauf- oder Übernahmeprüfung, mit dem Ziel, Chancen und Risiken beim Zielunternehmen zu ermitteln und den Wert des Unternehmens aufgrund detaillierter Informationen genauer bestimmen zu können. Grundsätzlich ist erst ab diesem Zeitpunkt ...

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