Rz. 9

Satz 2 bestimmt, dass für ordentliche Kündigungen während des Insolvenzverfahrens eine Kündigungsfrist von höchstens 3 Monaten zu beachten ist. Aus Satz 1 folgt nicht, dass bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten ist.[1] Ist für das jeweilige Arbeitsverhältnis eine kürzere Kündigungsfrist maßgeblich, so findet diese Anwendung. Ob eine solche kürzere Kündigungsfrist vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen.

 

Beispiel[2]

Wenn etwa vertraglich eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende vereinbart und die zum nächstmöglichen Quartalsende mögliche Kündigungsfrist soeben verstrichen ist, kann 5 Wochen vor Quartalsende nach § 113 Satz 2 InsO mit einer 3-monatigen Kündigungsfrist gekündigt werden.

Die Frist nach Satz 2 kann nicht durch den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung umgangen werden. Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solche keinen wichtigen Grund darstellt, fehlt es insofern schon an einem Kündigungsgrund.[3]

 

Rz. 10

Eine kürzere Kündigungsfrist kann sich aus einer gesetzlichen Regelung, einem Tarifvertrag oder einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Folgen hierbei aus unterschiedlichen Rechtsquellen unterschiedliche Vorgaben, so gilt nach den allgemeinen Regeln zunächst die einzelvertragliche Vereinbarung. Ist also etwa arbeitsvertraglich eine längere als die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart, so ist bei einer Kündigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur 3-Monats-Frist des Satz 2 die längere Frist maßgeblich.[4]

 

Rz. 11

Tarifvertragliche und einzelvertragliche Ausschlüsse des Rechts zur ordentlichen Kündigung werden von § 113 InsO verdrängt.[5] Die Verdrängung eines tarifvertraglichen Sonderkündigungsschutzes verstößt auch nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG.[6]

In einem solchen Fall gilt die 3-monatige Kündigungsfrist. Dies gilt selbst dann, wenn für ältere Arbeitnehmer mit langjähriger Betriebszugehörigkeit sehr lange Kündigungsfristen vorgesehen sind.[7] Gegenüber einer Regelung in einem Standortsicherungsvertrag, die ordentliche Kündigungen ausschließt, setzt sich § 113 InsO gleichfalls durch.[8] Auch § 323 Abs. 1 UmwG steht einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht entgegen.[9]

 

Rz. 12

Gesetzliche Kündigungsfristen, die für das Dienstverhältnis maßgeblich sind, können sich vor allem aus § 622 BGB ergeben. Die Grundkündigungsfrist von 4 Wochen nach § 622 BGB darf hierbei nicht unterschritten werden. Tarifliche Kündigungsfristen, die über die 3-Monats-Frist hinausgehen, sind vom Insolvenzverwalter nicht zu beachten.[10]

 

Rz. 13

Hat der Schuldner als Arbeitgeber vor Einleitung des Insolvenzverfahrens eine Kündigung ausgesprochen, so kann der Insolvenzverwalter nach Einleitung des Insolvenzverfahrens dasselbe Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des § 113 InsO (erneut) kündigen.[11] Dies wird sich insbesondere anbieten, wenn die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochene Kündigung erst nach der 3-Monats-Frist zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen würde.

[1] BAG, Urteil v. 6.7.2000, 2 AZR 695/99, AP InsO § 113 Nr. 6.
[2] Nach HWK/Annuß, Arbeitsrecht, § 113 InsO Rz. 8.
[7] BAG, Urteil v. 19.1.2000, 4 AZR 70/99, AP InsO § 113 Nr. 5.
[8] BAG, Urteil v. 17.11.2005, 6 AZR 107/05, AP InsO § 113 Nr. 19; ErfK/Müller-Glöge, 24. § 113 InsO Rz. 6.
[9] BAG, Urteil v. 22.9.2005, 6 AZR 526/04, AP UmwG § 323 Nr. 1.
[10] BAG, Urteil v. 16.6.1999, 4 AZR 191/98, AP TVG § 1 Tarifverträge Textilindustrie Nr. 26.
[11] Sog. Nachkündigung, BAG, Urteil v. 22.5.2003, 2 AZR 255/02, NZA 2003, 1086.

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