1 Allgemeines

 

Rz. 1

Ausbildungsverhältnisse werden naturgemäß (§ 21 BBiG) nur für einen bestimmten Zeitraum geschlossen. Insofern stellt eine vorzeitige Beendigung durch Kündigung noch mehr die Ausnahme dar als in "normalen" Arbeitsverhältnissen. Nach der Überlegung des Gesetzgebers ist es notwendig, Kündigungsmöglichkeiten für beide Seiten während einer obligatorischen Probezeit gegenüber Arbeitsverhältnissen zu erleichtern und nach Ablauf der Probezeit erheblich zu erschweren. Der Auszubildende soll nämlich ohne das "Damoklesschwert" einer Kündigung seine Ausbildung absolvieren können. Der Ausbildende wiederum soll davor geschützt werden, dass das Ausbildungsverhältnis abgebrochen wird, wenn die praktische Arbeit des Auszubildenden an Wert gewinnt.[1] Diese berechtigten Interessen werden zusätzlich durch den Schadensersatzanspruch des § 23 BBiG abgesichert, der bei einer Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nach der Probezeit eingreifen kann: Die vertragstreue Partei kann den Ersatz des Schadens verlangen, der durch die vorzeitige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses entstanden ist.

[1] Vgl. die Begründung im Regierungsentwurf, BT-Drucks. V/4260 S. 20 zu § 15 BBiG a. F.

2 Kündigungsvoraussetzungen

 

Rz. 2

§ 22 BBiG unterscheidet zwischen Kündigungen während der Probezeit und Kündigungen nach Ablauf der Probezeit. Für Kündigungen vor Beginn des Ausbildungsverhältnisses gibt es keine gesetzliche Regelung.

Diese 3 Phasen sind voneinander zu unterscheiden.

2.1 Kündigungen vor Beginn des Ausbildungsverhältnisses

 

Rz. 3

Häufig werden Berufsausbildungsverträge lange vor dem Beginn der eigentlichen Ausbildung geschlossen.[1] Dies führt zu der Frage, ob eine Vertragspartei in dem Fall, dass von ihr eine Beendigung gewünscht wird, den ersten Tag des Ausbildungsverhältnisses abwarten muss. Dies ist nicht der Fall. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem gesetzlichen Zwang zur Vereinbarung einer Probezeit (§ 20 Abs. 1 BBiG) und der entfristeten Kündigung in der Probezeit (§ 22 Abs. 1 BBiG), dass selbst kurz nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses eine Bindung der Vertragsparteien noch nicht bestehen soll. Dies gilt umso mehr vor Beginn der Ausbildung, da beide Parteien ein Interesse daran haben, möglichst frühzeitig zu erfahren, ob von der anderen Seite geplant ist, das Ausbildungsverhältnis überhaupt durchzuführen.[2]

 

Rz. 4

Eine andere Frage ist, ob in einem solchen Fall eine Kündigungsfrist einzuhalten ist und wann diese beginnt. Bei Arbeitsverhältnissen wird davon ausgegangen, dass die zweiwöchige Kündigungsfrist während der Probezeit (§ 622 Abs. 3 BGB) auch bei einer Kündigung vor Beginn des Arbeitsverhältnisses erst mit dem ersten Tag des Arbeitsverhältnisses zu laufen beginnt.[3] Übertragen auf Berufsausbildungsverhältnisse würde dies bedeuten, dass eine Kündigung, die mehrere Monate vor dem vereinbarten Ausbildungsbeginn am 1.8. ausgesprochen wird, gleichwohl frühestens zum Dienstantritt am 1.8. wirken könnte. Dies ist unpraktikabel. Vielmehr wird man davon ausgehen müssen, dass – anders als in Arbeitsverhältnissen[4] – eher ein Interesse daran besteht, das Ausbildungsverhältnis überhaupt nicht mehr durchzuführen.[5] Denn im schlimmsten Fall müsste sonst der Auszubildende, der bereits eine andere Ausbildungsstelle gefunden hat, seinen dortigen Ausbildungsbeginn verschieben, um sich rechtstreu zu verhalten.

[2] Unter Verweis auf die Rechtsprechung des BAG zu Arbeitsverhältnissen LAG Düsseldorf, Urteil v. 16.9.2011, 6 Sa 909/11.
[5] BAG, Urteil v. 17.9.1987, 2 AZR 654/86; Taubert, BBiG, § 22 Rz. 26.

2.2 Kündigungen während der Probezeit

 

Rz. 5

Während der Probezeit i. S. v. § 20 BBiG (mindestens ein Monat, höchstens 4 Monate) kann das Berufsausbildungsverhältnis nach § 22 Abs. 1 BBiG jederzeit ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Für die Beurteilung der Wirksamkeit einer auszusprechenden Kündigung muss daher zunächst festgestellt werden, ob die nach § 20 zwingend zu vereinbarende Probezeit noch läuft. Dies kann auch bei einer ohne Verstoß gegen §§ 20, 25 BBiG oder § 307 Abs. 1 BGB verlängerten Probezeit der Fall sein.[1]

Geht die Kündigung dann während der Probezeit zu, sieht § 22 Abs. 1 BBiG eine sofortige Beendigung des Ausbildungsverhältnisses vor. Allerdings verlangt die Vorschrift nicht zwingend eine Kündigung ohne jede Frist. Vielmehr kann auch mit einer Auslauffrist gekündigt werden, wenn diese Gewährung der Auslauffrist nicht sachfremden Zwecken dient.[2]

Unzulässig wäre es nämlich, eine vorsorgliche Kündigung zu einem Termin auszusprechen, der nach Ablauf der Probezeit liegt, wenn dem Auszubildenden zugleich signalisiert wird, dass bei einer Verbesserung der Arbeitsleistung eine Weiterführung des Berufsausbildungsverhältnisses möglich ist. Die Absicht, das Berufsausbildungsverhältnis in jedem Fall zu beenden, muss zum Zeitpunkt der Kündigung damit klar und deutlich zu erkennen sein.

 

Rz. 6

Ein wie auch immer gearteter Kündigungsgrund muss bei einer Probezei...

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