1 Allgemeines

 

Rz. 1

Das KSchG ist nach seiner Grundkonzeption ein Bestandsschutzgesetz, auch wenn in der Rechtswirklichkeit nur ein geringer Anteil von Beendigungsrechtsstreitigkeiten zum Erhalt eines Arbeitsplatzes führt. Eine sozial nicht gerechtfertigte oder aus sonstigen Gründen unwirksame Kündigung führt zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit folgenden Konsequenzen für die Arbeitsvertragsparteien:

  • Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen und bei Annahmeverzug rückständigen Lohn nachzubezahlen.
  • Will der Arbeitnehmer die Tätigkeit nicht wieder aufnehmen, bleibt ihm nur die Möglichkeit, seinerseits zu kündigen oder bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 12 KSchG das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
 

Rz. 2

Nach dieser gesetzlichen Konzeption kann sich der Arbeitgeber nicht einseitig von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung "freikaufen", der Arbeitnehmer nicht einseitig anstelle des Arbeitsplatzes eine Abfindung verlangen. Nur unter engen Voraussetzungen lässt § 9 KSchG eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht dann zu, wenn die Vertrauensgrundlage für eine sinnvolle Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr besteht. Die festzusetzende Abfindung entschädigt den Arbeitnehmer für den Verlust des Arbeitsplatzes. Zugleich wird mit der Abfindungszahlung die ungerechtfertigte Kündigung sanktioniert.[1]

 

Rz. 3

Vor den Arbeitsgerichten streiten die Parteien häufig nur vordergründig um den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Oft geht es in Wirklichkeit darum, ob und in welcher Höhe eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes bezahlt wird. Da i. d. R. die Voraussetzungen einer Auflösung nach § 9 KSchG nicht vorliegen, sind die Parteien zur Einigung gezwungen. Dies ist mit ein Grund für die hohe Vergleichsquote bei Beendigungsstreitigkeiten. Ob ein Auflösungsantrag gestellt wird, hängt auch häufig weniger von mehr oder weniger guten Auflösungsgründen ab, sondern vielmehr von dem wirtschaftlich günstigsten Ergebnis.

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer wird vor Stellung eines Auflösungsantrags überlegen, ob für ihn eine Auflösung zum Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung mit Abfindungszahlung oder die Nachzahlung von Vergütung aus Annahmeverzug günstiger ist.

Vermutet oder weiß ein Arbeitgeber, dass der Arbeitnehmer übergangslos eine neue Stelle gefunden hat, so wird er die Zurückweisung eines Auflösungsantrags nicht beantragen, weil er den Arbeitnehmer weiterbeschäftigen möchte, sondern vielmehr, weil er davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer nicht an seinen Arbeitsplatz zurückkehren wird und die Unwirksamkeit der Kündigung wirtschaftlich ohne Folgen bleibt.

 

Rz. 4

§ 9 KSchG betrifft die Möglichkeit der Auflösung bei ordentlichen Kündigungen im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses. Die Möglichkeit der Auflösung bei einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung regelt § 13 Abs. 1 Satz 3 KSchG und bei einer sittenwidrigen Kündigung § 13 Abs. 2 KSchG. Das Antragsrecht steht in diesen beiden letzteren Fällen jedoch nur dem Arbeitnehmer zu.[2]

 

Rz. 5

Die Auflösung gegen Abfindungszahlung nach § 9 KSchG im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses ist zu trennen von dem Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG, der dem Arbeitgeber die Möglichkeit gibt, durch das Angebot einer Abfindung einen Anreiz zu schaffen, damit ein Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage nicht erhebt.[3]

[2] Näher Stelljes, § 13 Rz. 31 f.
[3] S. näher die Kommentierung zu § 1a KSchG.

2 Voraussetzungen des Auflösungsantrags

2.1 Anhängiger Kündigungsschutzprozess

 

Rz. 6

Ein Auflösungsantrag kann nur im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses gestellt werden und setzt nach ständiger Rechtsprechung des BAG die Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung voraus.[1]

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitnehmer macht in einer nach § 4 Satz 1 KSchG erhobenen Klage nur die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG geltend. In diesem Fall kann ein Auflösungsantrag weder von Arbeitnehmer- noch von Arbeitgeberseite gestellt werden, da das Arbeitsgericht die Sozialwidrigkeit nicht zu prüfen hat.

 

Rz. 7

Dies gilt nach überwiegender Auffassung auch nach den Änderungen des KSchG ab 1.1.2004 durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003.[2] Auch wenn sonstige Unwirksamkeitsgründe innerhalb der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG geltend gemacht werden müssen, stellt § 9 Abs. 2 KSchG auf die sozial ungerechtfertigte Kündigung ab. Auch wäre § 13 Abs. 2 KSchG ansonsten überflüssig. Außerdem verweist § 13 Abs. 3 KSchG nicht auf § 9 KSchG.[3]

 

Rz. 8

Damit scheidet ein Auflösungsantrag insbesondere in folgenden Fällen als unzulässig aus:

  • Kündigungen innerhalb der Wartezeit von 6 Monaten nach § 1 KSchG
  • Kündigungen im Kleinbetrieb (§ 23 Abs. 1 KSchG)
  • Klage nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG, mit der die Formunwirksamkeit einer mündlichen Kündigung geltend gemacht wird[4]
  • Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit einer Befristung oder eines Aufhebungsvertrags
  • Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses[5]
  • Änderungskündigungen, wenn der Arbeitnehmer wirksam den Vorbehalt nach § 2 KSchG erklärt ...

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