Rz. 49

Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt voraus, dass aufgrund konkreter Vorkommnisse eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist. Da das KSchG ein Bestandsschutzgesetz ist, weist das BAG in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass die Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers nur ausnahmsweise in Betracht kommt und daher an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen sind.[1] Die Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses voraus.[2]

 
Hinweis

Der Versuch von Arbeitgeberseite, bei einer unwirksamen Kündigung mit einem Auflösungsantrag das Arbeitsverhältnis zu beenden und zugleich noch Vergütungsansprüche aus Annahmeverzug zu vermeiden, ist angesichts der strengen Anforderungen selten erfolgreich, wenn es zu einer Entscheidung des Arbeitsgerichts kommt. Allerdings wird der Auflösungsantrag in der Praxis auch dann gestellt, wenn dieser nach eigener Einschätzung keine große Erfolgsaussicht hat, um im Rahmen von Vergleichsgesprächen zumindest ein weiteres Argument zu haben.

 

Rz. 50

Abzustellen ist auf Gründe, die an die Person des Arbeitnehmers anknüpfen. Sie können das persönliche Verhältnis, die Wertung der Persönlichkeit, die Leistung oder die Eignung für gestellte Aufgaben und das Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe können sich auf das prozessuale oder außerprozessuale Verhalten des Arbeitnehmers beziehen. Als Auflösungsgründe können Gründe herangezogen werden, die zeitlich vor oder nach Zugang der Kündigung liegen.

Die Kündigungsgründe selbst vermögen einen Auflösungsantrag nicht zu begründen. Der Arbeitgeber muss in diesen Fällen zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, aus denen sich ergibt, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt.[3]

 
Hinweis

Werden diese Vorgaben nicht beachtet, kann ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG und die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers vorliegen. So hat das BVerfG einer Verfassungsbeschwerde eines Arbeitnehmers gegen eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers stattgegeben, weil für das entscheidende LAG eine (unberechtigte) Strafanzeige gegen einen Vorgesetzten als Kündigungsgrund nicht ausreichend war, da es sich um eine erstmalige und einmalige Entgleisung gehandelt habe, jedoch den gleichen Sachverhalt als ausreichend für eine Auflösung nach § 9 KSchG erachtet hat.[4]

 

Rz. 51

Unter den vom BAG entwickelten Grundsätzen zur Verdachtskündigung[5] ist auch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG wegen eines Verdachts möglich, wenn nicht schon die Kündigung mit diesem Verdacht begründet wurde[6].

 
Praxis-Beispiel

Ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes kündigt einem Arbeitnehmer, weil dieser sich bei der Bewerbung als Verfolgter der Sicherheitsbehörden der DDR dargestellt habe. In Wirklichkeit habe der Arbeitnehmer als Stasi-Mitarbeiter an der Verfolgung Unschuldiger mitgewirkt. Der Nachweis der Behauptung gelingt dem Arbeitgeber nicht, es verbleibt jedoch ein schwerwiegender Verdacht. Da der Arbeitgeber mangels hierzu erforderlicher Personalratsanhörung die Kündigung hierauf nicht gestützt hat, kann der Auflösungsantrag verfassungsrechtlich unbedenklich mit dem schwerwiegenden Verdacht begründet werden.

 

Rz. 52

Da an die Person angeknüpft wird, müssen die Gründe nicht zwingend im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen.[7]

 

Rz. 53

Die Prüfung des Auflösungsantrags hat in 2 Schritten zu erfolgen[8]:

  • Es muss ein für eine Auflösung geeigneter Grund vorliegen.
  • Im 2. Schritt ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers noch eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich ist. Bei dieser Gesamtabwägung spielt auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit eine Rolle, also nicht nur bei der Höhe der Abfindung nach § 10 KSchG. Eine jahrelange Zusammenarbeit ohne wesentliche Beanstandungen erfordert Auflösungsgründe von größerem Gewicht.[9] Auch eine Schwerbehinderung ist bei der Gewichtung eines Auflösungsgrunds von Bedeutung.[10] Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers bedarf bei einem Schwerbehinderten jedoch nicht der Zustimmung des Integrationsamts.[11] Wird eine Arbeitnehmerin nach Ausspruch einer Kündigung schwanger, kann der verfassungsrechtlich gebotene Schutz der Schwangeren gleichfalls durch eine strengere Prüfung der Auflösungsgründe erreicht werden.[12] Unterhalb der Ebene der leitenden Angestellten nach § 14 Abs. 2 KSchG[13] kann bei herausgehobenen Vertrauenspositionen eher ein Auflösungsgrund vorliegen[14]. Gleiches gilt bei Tendenzträgern bei Auflösungsgründen mit Tendenzbezug.[15] Auch ein Wandel der betrieblichen Verhältnisse kann eine Rolle spielen.[16]
 
Hinweis

Der Wandel der betrieblichen Verhältnisse wird i. d. R. für den ...

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