Rz. 16

§ 6 Satz 2 KSchG verpflichtet das Arbeitsgericht, den klagenden Arbeitnehmer auf die verlängerte Anrufungsfrist hinzuweisen. Die Regelung ist wegen der richterlichen Unparteilichkeit bedenklich.[1]

Der Wortlaut der Vorschrift legt den Schluss nahe, dass es sich bei § 6 Satz 2 KSchG um eine "Soll-Vorschrift" handelt. Dies ist aber nicht der Fall.[2] Liegen die Voraussetzungen des § 6 Satz 2 KSchG vor, muss das Arbeitsgericht den Arbeitnehmer auf die verlängerte Anrufungsfrist hinweisen.

 

Rz. 17

Das Arbeitsgericht genügt seiner Hinweispflicht durch die Mitteilung, dass der Arbeitnehmer bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in 1. Instanz Gründe für die Unwirksamkeit der Kündigung vorbringen kann (BAG, Urteil v. 18.1.2012, 6 AZR 407/10[3]). Entgegen einer im Schrifttum teilweise vertretenen Ansicht[4] muss das Arbeitsgericht den Kläger hingegen nicht darüber aufklären, dass verspätet vorgetragene Gründe nicht mehr berücksichtigt werden. Es muss auch nicht auf weitere Unwirksamkeitsgründe hinweisen. Eine Hinweispflicht besteht insoweit auch dann nicht, wenn sich im weiteren Prozessverlauf Anhaltspunkte für weitere – bislang nicht vorgebrachte – Unwirksamkeitsgründe ergeben (BAG, Urteil v. 18.1.2012, 6 AZR 407/10[5]). Im Einzelfall kann aber § 139 ZPO eine entsprechende Hinweispflicht begründen (BAG, Urteil v. 18.1.2012, 6 AZR 407/10[6]).

 

Rz. 18

Verstößt das Arbeitsgericht gegen die Hinweispflicht, kann der Arbeitnehmer weitere Unwirksamkeitsgründe auch noch in der Berufungsinstanz in das Verfahren einführen (BAG, Urteil v. 9.9.2015, 7 AZR 148/14[7]; BAG, Urteil v. 25.10.2012, 2 AZR 845/11[8]).

[1] So offenbar Bader, NZA 2004, S. 65, 69, der den Arbeitsgerichten rät, ein entsprechendes Formular zur Belehrung des klagenden Arbeitnehmers zu entwickeln.
[2] KR/Klose, 12. Aufl. 2019, § 6 KSchG, Rz. 28; SPV/Vossen, 11. Aufl. 2015, Rz. 1941.
[3] NZA 2012 S. 817, 820; s. auch BAG, Urteil v. 26.9.2013, 2 AZR 843/12, NZA-RR 2014 S. 236, 237.
[4] Vgl. Eylert, NZA 2012, S. 9, 11; offenbar auch Bader, NZA 2004, S. 65, 69, der den Arbeitsgerichten rät, ein entsprechendes Formular zur Belehrung des klagenden Arbeitnehmers zu entwickeln.
[5] NZA 2012 S. 817, 820; s. auch BAG, Urteil v. 26.9.2013, 2 AZR 843/12, NZA-RR 2014 S. 236, 237.
[6] NZA 2012 S. 817, 820; s. auch BAG, Urteil v. 26.9.2013, 2 AZR 843/12, NZA-RR 2014 S. 236, 237.
[7] NZA 2016 S. 169, 170.
[8] NZA 2013 S. 900, 903.

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