Rz. 11

Abwarten: Der Arbeitnehmer kann die Klagefrist nach § 4 KSchG bis zum letzten Tag ausschöpfen. Falls er jedoch ohne triftigen Grund bis zum letzten Augenblick abwartet, trägt er das Risiko, dass eine fristgerechte Klageerhebung nicht mehr gelingt.[1] Weder das Warten auf eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung[2] noch auf die Entscheidung in einem Parallelverfahren[3] rechtfertigen eine nachträgliche Zulassung.

 

Rz. 12

Arbeitgeber: Eine nachträgliche Zulassung kommt in Betracht, wenn der Arbeitgeber schuldhaft oder gar arglistig den Arbeitnehmer von einer fristgerechten Klage abhält.[4] Dies kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber vorspiegelt, der Arbeitsplatz werde nicht wieder besetzt und den Arbeitnehmer so über die Erfolgsaussichten der Klage täuscht.[5] Sofern der Arbeitgeber jedoch lediglich ankündigt, er werde die Kündigung zurücknehmen[6] oder "man werde am nächsten Tag reden"[7] und der Arbeitnehmer daraufhin eine Klage unterlässt, ist eine nachträgliche Zulassung nicht möglich. Der Arbeitnehmer handelt insoweit auf eigene Gefahr; es ist ihm unbenommen, eine fristwahrende Klage zu erheben und dann die Verhandlungen mit seinem Arbeitgeber fortzusetzen.[8]

 

Rz. 13

Ausländische Arbeitnehmer: Mangelnde Sprachkenntnisse rechtfertigen grds. keine nachträgliche Klagezulassung; der Arbeitnehmer muss sich unverzüglich um eine Übersetzung des Schreibens seines Arbeitgebers kümmern.[9] In besonders gelagerten Fällen – z. B. wenn sich der Arbeitnehmer in einem abgelegenen Bergdorf seines Heimatlands aufhält und aufgrund einer Erkrankung nicht reisen kann – mag eine andere Beurteilung möglich sein.

 

Rz. 14

Einwurf in den Briefkasten: Gelangt ein Kündigungsschreiben in den Hausbriefkasten eines Arbeitnehmers, kann er als Empfänger dieser verkörperten Kündigungserklärung eine nachträgliche Klagezulassung nicht allein darauf stützen, dieses Schreiben sei aus ungeklärten Gründen nicht zu seiner Kenntnis gelangt. Der Inhaber eines Hausbriefkastens muss grds. dafür Sorge tragen und Vorsorge treffen, dass er von für ihn bestimmten Sendungen Kenntnis nehmen kann. Zur Darlegung einer unverschuldeten Fristversäumnis reicht es deshalb regelmäßig nicht aus, dass sich ein Arbeitnehmer allein und pauschal darauf beruft, ein Kündigungsschreiben sei weder von ihm noch etwa von seinem Ehepartner im Hausbriefkasten vorgefunden worden.[10] Vielmehr muss er zumindest darlegen, wer von den in Betracht kommenden Personen im fraglichen Zeitraum den Briefkasten geleert hat, ob und ggf. welche anderen Postsendungen oder Reklame sich im Briefkasten befanden und wie mit diesen verfahren wurde.[11]

Eine Klage ist nicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nachträglich zuzulassen, wenn der Arbeitnehmer, der sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhält, nicht sicherstellt, dass er zeitnah von einem Kündigungsschreiben Kenntnis erlangt, das in einen von ihm vorgehaltenen Briefkasten im Inland eingeworfen wird.[12] Geht ein Kündigungsschreiben, das in den Hausbriefkasten eingeworfen wurde, tatsächlich vor der Kenntnisnahme durch den Arbeitnehmer verloren, so kann die Klagezulassungsfrist des § 5 Abs. 3 KSchG jedoch im Einzelfall bereits dann beginnen, wenn der Arbeitnehmer von einer als zuständig und informiert einzuschätzenden Person im Detail über Kündigungsart, -daten und Zustellungsmodalitäten informiert wird.[13]

 

Rz. 15

Irrtum über die Erfolgsaussichten: Die falsche Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Kündigungsschutzklage rechtfertigt nicht ihre nachträgliche Zulassung.[14] Auch der Vortrag des Arbeitnehmers, er habe sich zunächst in Beweisschwierigkeiten befunden oder er habe angenommen, sein Arbeitsplatz werde nicht neu besetzt, entschuldigt nicht das Versäumen der Klagefrist.[15] Eine Ausnahme gilt nur in dem Fall, dass eine Arbeitnehmerin zunächst nicht um ihre Schwangerschaft weiß, sofern die Mitteilung an den Arbeitgeber unverzüglich nachgeholt wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG).

 

Rz. 16

Krankheit: Eine Erkrankung des Arbeitnehmers rechtfertigt für sich betrachtet noch nicht die nachträgliche Zulassung der Klage. Der Arbeitnehmer muss vielmehr darlegen, dass es ihm aufgrund seiner Krankheit objektiv unmöglich war, rechtzeitig eine Klage einzureichen oder zumindest Rechtsrat einzuholen.[16]

 

Rz. 17

Dabei gilt ein strenger Maßstab: Solange der Arbeitnehmer in der Lage ist, sich Zeitschriften zu besorgen oder Lottogeschäfte zu tätigen, kann ihm auch zugemutet werden, seine Rechte fristgerecht wahrzunehmen.[17]

Ebenso kann von einem Arbeitnehmer, der trotz einer depressiven Angststörung in der Lage ist, sein privates Umfeld neu zu ordnen und in eine neue eigene Wohnung umzuziehen, verlangt werden, rechtzeitig anwaltlichen Rat zu einer Kündigung einzuholen.[18]

Allein das Vorliegen einer psychischen Erkrankung rechtfertigt nicht die Annahme, dass ein Arbeitnehmer ohne das Hinzutreten weiterer Umstände an der Erhebung einer Kündigungsschutzklage gehindert gewesen wäre. Der Kläger muss vielmehr glaubhaft ...

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