Rz. 32

Grundsätzlich entsteht der Abfindungsanspruch nach § 1a KSchG mit Ablauf der Kündigungsfrist (vgl. § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG).[1]

Endet das Arbeitsverhältnis aus einem anderen Grund bereits zu einem vor Ablauf der Kündigungsfrist liegenden Zeitpunkt, gelangt der Anspruch nicht mehr zur Entstehung.[2]

Der Anspruch gelangt auch dann nicht zur Entstehung, wenn die Arbeitsvertragsparteien vor Ablauf der Kündigungsfrist vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung enden soll, sondern im Rahmen eines dreiseitigen Vertrages zum Ablauf der Kündigungsfrist enden wird, da in diesem Fall die in Lauf gesetzte Kündigungsfrist nicht mehr kausal zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt.[3]  Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG. Zwar entstehen schuldrechtliche Ansprüche grundsätzlich mit Abschluss des sie erzeugenden Rechtsgeschäftes; im Rahmen des § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG ergibt sich aber aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift etwas anderes. Nach dem Wortlaut „hat“ der Arbeitnehmer den Anspruch erst „mit dem Ablauf der Kündigungsfrist“. Der Gesetzesbegründung lässt sich entnehmen, dass der Anspruch auf Abfindung nicht entstehen soll, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt als dem Ablauf der Kündigungsfrist endet.[4] Auch die teleologische Auslegung der Norm steht dem nicht entgegen. Der Arbeitgeber muss die Abfindung nur unter der Voraussetzung zahlen, die ihn zum Angebot der Abfindung veranlasst hat, nämlich dass das Arbeitsverhältnis durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet wurde.[5]

Entsprechendes gilt für die außerordentliche, betriebsbedingte Kündigung mit Ablauf der sozialen Auslauffrist (dazu Rz. 6).

Grundsätzlich ist § 1a Abs. 1 Satz 1 KSchG jedoch dahingehend einzuschränken, dass in Hinblick auf § 5 (Zulassung verspäteter Klagen) und § 6 KSchG (Verlängerte Anrufungsfrist) nicht auf § 4 Abs. 1 Satz 1, sondern auf die materielle Rechtsfolge des Fristablaufs nach § 7 KSchG abzustellen ist.[6] Das bedeutet, dass in diesen Fällen erst mit Eintritt der Bestandskraft der Kündigung der Anspruch aus § 1a KSchG entsteht.

 

Rz. 33

Der Zeitpunkt des Entstehens kann nicht durch vorzeitigen rechtsgeschäftlichen Verzicht auf Kündigungsschutzklage vorverlagert werden.[7] Dies widerspräche der Intention des § 1a KSchG, Rechtssicherheit zu schaffen. Die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung wäre angreifbar und müsste einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Insofern kann es nur auf das tatsächliche Unterlassen und nicht auf die reine, gerichtlich überprüfbare Verpflichtung ankommen.

 

Rz. 34

Ein vollständiger bzw. teilweiser Verzicht auf den Abfindungsanspruch des Arbeitnehmers nach Entstehen des Anspruchs ist grundsätzlich zulässig.[8] Dagegen ist die Zulässigkeit eines Verzichts vor Entstehen des Anspruchs nach § 1a KSchG durch einen Abwicklungsvertrag (z. B. gegen Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Ende der Kündigungsfrist) umstritten. Da ein Verzicht nicht ausdrücklich gesetzlich verboten wird, muss ein Verzicht jedenfalls nach Verstreichenlassen der Klagefrist nach allgemeinen Regeln zulässig sein.[9] Aus § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG und § 12 EFZG kann kein allgemeiner Rechtsgedanke gezogen werden.

[1] Dazu LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.1.2017, 7 Sa 210/16, AE 2017, 106; BAG, Urteil v. 20.8.2009, 2 AZR 267/08, NZA 2009, 1197.; BAG, Urteil v. 10.5.2007, 2 AZR 45/06, NJW 2007, 3086: Endet das Arbeitsverhältnis vorher durch Tod des Arbeitnehmers, kann der Anspruch deshalb nicht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Erben übergehen.
[4] BT-Drucks. 15/1204 S. 12.
[6] KPK/Heise, KSchG, § 1a KSchG, Rz. 20 und 25.
[7] KPK/Heise, KSchG, § 1a KSchG, Rz. 26.
[8] Altenburg/Reufels/Leister, NZA 2006, 71, 73; DDZ/Zwanziger/Yalcin, KSchR, § 1a KSchG, Rz. 2.
[9] So auch Grobys, DB 2174, 2175; wohl auch KR/Spilger, § 1a KSchG, Rz. 110; a. A. erst mit Ablauf der Kündigungsfrist: Altenburg/Reufels/Leister, NZA 2006, 71, 75; DDZ/Zwanziger/Yalcin, KSchR, § 1a KSchG, Rz. 2.

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