Rz. 18

Ob der gesetzliche Anspruch des § 1a KSchG auch dann entsteht, wenn der Arbeitgeber zwar auf § 1a KSchG hinweist, aber eine niedrigere oder höhere Abfindung als in Abs. 2 festgelegt anbietet, ist als Kernfrage der Gestaltbarkeit die wohl wichtigste der in Zusammenhang mit § 1a KSchG auftretenden Fragen.

Auch hier findet sich in der Literatur die gesamte Bandbreite möglicher Auslegungen. Einige halten jedwede andere Höhe der angebotenen Abfindung ebenfalls von § 1a KSchG erfasst[1], andere sehen den in Abs. 2 festgelegten Betrag als sowohl nach oben als auch nach unten hin zwingend an[2]. Vermittelnde Ansichten differenzieren und lassen zwar eine höhere Abfindung zu, halten eine niedrigere Abfindung jedoch nicht von § 1a KSchG erfasst.[3]

Das BAG hat hier eine erste Stellungnahme abgegeben: Aus dem Kündigungsschreiben muss sich der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben.[4] Das kann z. B. der Fall sein, wenn der notwendige vollständige Hinweis enthalten ist, jedoch ohne auf die Bestimmung des § 1a Abs. 2 KSchG Bezug zu nehmen, und die Abfindungssumme der Höhe nach deutlich und unmissverständlich von der nach § 1a Abs. 2 KSchG zu berechnenden Abfindung abweicht.[5] Lässt sich der entsprechende Wille des Arbeitgebers jedoch nicht eindeutig und unmissverständlich erkennen, entsteht der Anspruch nach § 1a KSchG. Wenn dem aber so ist, dann kann ein Anspruch nach vertraglichen Grundsätzen entstehen. Letztlich geht es also um die Auslegung des Schreibens. Für die Auslegung ist aus Gründen der Rechtssicherheit, Rechtsklarheit und Beweissicherung der Zeitpunkt des Zugangs des Kündigungsschreibens maßgebend.[6]

Nach der Rechtsprechung sind demnach sowohl nach unten als auch nach oben abweichende Abfindungshöhen von der Vorschrift des § 1a KSchG nicht erfasst.[7] Vertragliche Abfindungsangebote sind aber möglich und können für die Vereinbarung eines Klageverzichts erforderlich sein.[8]

 

Rz. 19

Eine niedrigere Abfindung als die in Abs. 2 genannte, erfasst § 1a KSchG jedenfalls nicht. Der Einwand, dem Gesetz könne nicht entnommen werden, dass der Arbeitgeber auf die vorgesehene Abfindungshöhe beschränkt sein soll, wenn er sich des in § 1a KSchG beschriebenen Verfahrens bedient[9], ist wenig plausibel. Insoweit ist der Wortlaut unmissverständlich und eindeutig, der fordert: "Die Höhe der Abfindung beträgt 0,5 Monatsverdienste…". Zumindest eine geringere Abfindung lässt dieser nicht zu.

Bietet der Arbeitgeber eine niedrigere Abfindung an, handelt es sich um ein rein rechtsgeschäftliches Angebot, dessen Annahme sich nach den allgemeinen Vorschriften richtet; der Zugang der Annahme ist dann nach § 151 Satz 1 BGB regelmäßig entbehrlich.[10] Der Arbeitgeber kann die Zahlung einer Abfindung auch von dem ungenutzten Verstreichenlassen einer Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig machen.[11]

Der gesetzliche Anspruch nach § 1a KSchG scheidet aber aus, da er gegenüber einer rein rechtsgeschäftlichen Regelung den Arbeitnehmer nicht ausreichend schützt. Zwar bestehen die Rechte aus den §§ 5 (Zulassung verspäteter Klagen) und 6 KSchG (Verlängerte Anrufungsfrist), nicht anwendbar sind aber Regelungen über die Anfechtung, Geschäftsfähigkeit und Stellvertretung usw. Dies zwingt zu einer restriktiven Auslegung.

 

Rz. 20

Andere wiederum halten, im Falle eines Hinweises auf § 1a KSchG verbunden mit einer niedrigeren Abfindungshöhe, trotzdem den Arbeitgeber in gesetzlicher Höhe für verpflichtet.[12] Das kann richtig sein, muss es aber nicht. Entscheidend ist die Auslegung des Schreibens: Richtete sich der Fokus des Arbeitgebers primär auf die Abfindung, handelt es sich um ein rein vertragliches Angebot; hatte er dagegen tatsächlich den gesetzlichen Anspruch im Blick, ist ein solches Ergebnis haltbar.[13]

 

Rz. 21

Ob § 1a KSchG auch eine höhere Abfindung erfasst, ist hingegen schwieriger zu beantworten. Wenn Abs. 2 bestimmt, dass der Arbeitnehmer 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr als Abfindung erhalten soll, heißt das nicht zwangsläufig, dass er nicht mehr als diesen Betrag erhalten darf. Beträgt die Abfindungshöhe 0,7 Monatsgehälter pro Jahr der Beschäftigung, so enthält sie jedenfalls auch die in Abs. 2 genannten 0,5 Monatsgehälter. Eine solche Auslegung wäre mit dem Gesetzeswortlaut noch vereinbar. Einer Analogie bedarf es dafür nicht.[14] Die Zulässigkeit höherer Abfindungen kann, da Wortlaut und Gesetzesbegründung keinen eindeutigen Anhaltspunkt bieten, nur aus dem Sinn und Zweck der Regelung beantwortet werden.

 

Rz. 22

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers stellt die in Abs. 2 genannte Höhe einen fairen und angemessenen Kompromiss der widerstreitenden Interessen der Parteien dar und entspricht dem durchschnittlichen Abfindungsbetrag, den die Arbeitsgerichte bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach den §§ 9, 10 KSchG zugrunde legen und an dem sich auch gerichtliche und außergerichtliche Abfindungsvergleiche orien...

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