Rz. 81

Steht die Anzahl der regelmäßig im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer fest, ist festzustellen, ob eine über die in § 17 Abs. 1 KSchG geregelten Schwellenwerte hinausgehende Zahl von Arbeitnehmern innerhalb von 30 Kalendertagen entlassen werden soll.

 

Rz. 82

Unter Entlassung wird seit der Junk-Entscheidung des EuGH der Ausspruch der Arbeitgeberkündigung sowie – wegen § 17 Abs. 1 Satz 2 KSchG – jede vom Arbeitgeber veranlasste und zur endgültigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Handlung, wie z. B. Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder Abschluss eines Aufhebungsvertrags verstanden. § 17 Abs. 1 KSchG gilt auch für den Ausspruch einer Änderungskündigung durch den Arbeitgeber. Der Begriff der "Entlassung" in § 17 Abs. 1 KSchG erfasst auch Änderungskündigungen. Diese zählen bei der Berechnung der für eine Anzeige maßgebenden Zahl zu entlassender Arbeitnehmer mit. Dafür kommt es nicht darauf an, ob von einer Änderungskündigung betroffene Arbeitnehmer das ihnen unterbreitete Änderungsangebot bei oder nach Zugang der Kündigungserklärung abgelehnt oder – ggf. unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG – angenommen haben.[1] Nicht erfasst wird hingegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Befristungsende, Eintritt einer auflösenden Bedingung oder Anfechtung des Arbeitsvertrags. Eine Entlassung i. S. d. Gesetzes liegt auch nicht vor, wenn der Arbeitsvertrag aufgrund des Todes des Arbeitgebers, der eine natürliche Person ist, endet.[2] Nach hier vertretener Auffassung ist auch die Beendigung des Einsatzes eines Leiharbeitnehmers im Entleiherbetrieb nicht als Entlassung i. S. d. § 17 Abs. 1 KSchG zu zählen, da dadurch das arbeitsvertragliche Grundverhältnis des Leiharbeitnehmers zu seinem Vertragsarbeitgeber, dem Verleiher, nicht endet.

 

Rz. 83

Auf die Gründe für die Arbeitgeberkündigung kommt es nicht an. Erfasst werden neben betriebsbedingten Kündigungen also auch verhaltens- und personenbedingte Kündigungen.[3] Unerheblich für die Anwendung von § 17 Abs. 1 KSchG ist, ob der Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Beendigungskündigung vorläufig weiterbeschäftigt wird oder werden muss.

 

Rz. 84

Fristlose Entlassungen werden bei der Berechnung der Überschreitung der Schwellenwerte nicht berücksichtigt (§ 17 Abs. 4 Satz 2 KSchG). Das Recht des Arbeitgebers zur fristlosen Entlassung soll unberührt bleiben (§ 17 Abs. 4 Satz 1 KSchG) und nicht durch die Anzeigepflicht und den dadurch vermittelten Kündigungsschutz erschwert werden. Unter § 17 Abs. 4 Satz 2 KSchG fallen insbesondere aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist ausgesprochene Kündigungen des Arbeitgebers (§ 626 BGB). Nach h. M. gilt dies auch, wenn der Arbeitgeber trotz Vorliegen eines wichtigen Grunds von einer an sich möglichen fristlosen Kündigung absieht und die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist ausspricht; denn der Arbeitgeber soll bei einem solchen Vorgehen nicht benachteiligt werden.[4] Etwas anderes gilt hingegen, wenn der Arbeitgeber sein Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht ausübt, sondern nur eine ordentliche Kündigung ausspricht; diese ordentliche Kündigung ist bei den ggf. anzeigepflichtigen Entlassungen zu berücksichtigen.[5]

 

Rz. 85

Nicht unter § 17 Abs. 4 Satz 2 KSchG fallen auch außerordentliche Kündigungen mit sozialer Auslauffrist, die der Arbeitgeber gegenüber ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern ausspricht. Sie stellen funktionell eine ordentliche Kündigung dar und führen nicht zu einer "fristlosen" Entlassung i. S. d. § 17 Abs. 4 Satz 2 KSchG; sie sind bei Abs. 1 mitzuzählen und bei der ggf. erforderlichen Anzeige zu berücksichtigen. Nicht unter § 17 Abs. 4 Satz 2 KSchG fallen ferner ordentliche Kündigungen, bei denen die einschlägige und nach § 622 Abs. 4 und 5 BGB zulässige tarif- oder arbeitsvertragliche Regelung keine Kündigungsfrist vorsieht (sog. "entfristete Kündigungen").[6]

 

Rz. 86

Unerheblich für die Anzeigepflicht ist, ob der Arbeitgeber die Entlassung durch Neueinstellungen kompensiert oder nicht.[7] Es kommt auch nicht darauf an, ob die Arbeitnehmer nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sogleich in ein neues Arbeitsverhältnis übernommen werden. Die Anwendung der §§ 17, 18 KSchG hängt nicht davon ab, ob und wie viele der von anzeigepflichtigen Kündigungen betroffenen Arbeitnehmer ein unmittelbares Anschlussarbeitsverhältnis begründet haben, auch wenn nach dessen Begründung die Kündigungsfrist noch läuft. Dieser Umstand entbindet den Arbeitgeber nicht von der Einhaltung der durch die §§ 17,18 KSchG begründeten Verpflichtungen, und zwar selbst dann nicht, wenn bei Nichtberücksichtigung dieser Arbeitnehmer die gesetzlichen Schwellenwerte nicht mehr erreicht würden.[8] Daher kommt § 17 Abs. 1 KSchG auch bei der Überleitung von Arbeitnehmern in eine Transfergesellschaft/Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft mittels 3-seitigen Vertrags zur Anwendung.[9] Dies gilt jedenfalls so lange, wie bei Erstattung der Anzeige noch nicht feststeht, ob die Mitarbeiter den 3-seitigen Ver...

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