Rz. 59

Nur die außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber bedarf der Zustimmung des Betriebsrats. Eine außerordentliche Kündigung ist nur anzunehmen, wenn sie aus wichtigem Grund i. S. d. § 626 BGB erfolgt.

 

Rz. 60

Soweit die Kündigung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG zulässig ist, handelt es sich um eine ordentliche Kündigung, die nicht unter § 103 BetrVG fällt, sondern bei der lediglich ein Anhörungsrecht des Betriebsrats nach § 102 BetrVG besteht.[1] Damit sollen nach dem gesetzgeberischen Willen die nach § 15 KSchG geschützten Personen bei einer Betriebsstilllegung oder Stilllegung einer Betriebsabteilung in gleicher Weise gekündigt werden können wie andere von der unternehmerischen Entscheidung betroffene Arbeitnehmer.[2] Das lässt sich damit begründen, dass der in § 15 KSchG enthaltene besondere Schutz vor einer Kündigung nicht erforderlich ist, soweit die Kündigung Folge einer generellen Maßnahme ist und sie sich nicht gegen die einzelnen Mandatsträger richtet.[3] Zudem besteht ein verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt durch die in Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit des Unternehmers. Der Arbeitgeber soll nicht gezwungen sein, eine Betriebs- oder Betriebsabteilungsstilllegung wegen der Mandatsträger zu unterlassen bzw. ein Arbeitsverhältnis mit einem Mandatsträger allein des Amtes wegen fortsetzen zu müssen, obwohl es gar keine Beschäftigungsmöglichkeit für diesen gibt (vgl. Rz. 124 ff.).[4]

 
Hinweis

Ist eine ordentliche Kündigung arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich ausgeschlossen und muss daher bei Betriebsstilllegung außerordentlich mit Auslauffrist gekündigt werden, so ist auch diese Kündigung von § 103 BetrVG nicht erfasst.[5]

 

Rz. 61

Für das Zustimmungserfordernis spielt es keine Rolle, ob der Arbeitgeber mit der außerordentlichen Kündigung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses bezweckt. Der Zustimmung des Betriebsrats bedarf auch eine außerordentliche Änderungskündigung.[6]

 

Rz. 62

Erklärt der Arbeitgeber zur Abwehr eines rechtswidrigen Streiks eine außerordentliche Kündigung, so handelt es sich um eine Kampfkündigung. Eine arbeitskampfkonforme Interpretation schließt zwar nicht die Anwendung des § 103 BetrVG aus, gebietet aber, dass die Zustimmung des Betriebsrats während des Arbeitskampfs nicht eingeholt zu werden braucht; das BAG verlangt jedoch, dass die Zustimmung durch Beschluss des Arbeitsgerichts nach Abs. 2 ersetzt wird.[7] Erfolgt die außerordentliche Kündigung aus anderen Gründen, so ist die Notwendigkeit einer Zustimmung des Betriebsrats während des Arbeitskampfs nicht eingeschränkt. Das gilt auch, wenn sie auf Streikausschreitungen gestützt wird, die ein Betriebsratsmitglied über die schlichte Teilnahme am Streik hinaus begeht.

[1] Ebenso BAG, Urteil v. 29.3.1977, 1 AZR 46/75, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 11 (zust. G. Hueck); BAG, Urteil v. 14.10.1982, 2 AZR 568/80, AP KSchG 1969 § 1 Konzern Nr. 1; BAG, Urteil v. 20.1.1984, 7 AZR 443/82, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 16; Fitting, BetrVG, § 103 BetrVG Rz. 14; Löwisch/Caspers, 8. Aufl. 2023, § 103 BetrVG Rz. 15; GK-BetrVG/Raab, § 103 BetrVG Rz. 33; Linck/Krause/Bayreuther/Bayreuther, KSchG, § 15 KSchG Rz. 165, 180; a. A. Bader, BB 1978, 616, der in der Kündigung nach § 15 Abs. 4 und 5 KSchG eine außerordentliche Kündigung sehen will, die nach § 103 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats bedarf; dagegen spricht aber nicht nur, dass man unter einer außerordentlichen Kündigung eine Kündigung i. S. d. § 626 BGB versteht, sondern vor allem auch die Gestaltung des § 15 Abs. 1-3a KSchG; abl. auch G. Hueck, Anm. zu BAG AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 11, Bl. 5.
[2] LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 7.5.2019, 8 TaBV 20/18, BeckRS 2019, 16091; s. auch BAG, Urteil v. 15.2.2007, 8 AZR 310/06, AP BGB § 613 a Widerspruch Nr. 2; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 18.10.2018, 5 TaBV 9/18, BeckRS 2018, 29532.
[3] LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 7.5.2019, 8 TaBV 20/18, BeckRS 2019, 16091.
[4] LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 7.5.2019, 8 TaBV 20/18, BeckRS 2019, 16091.
[5] BAG, Beschluss v. 18.9.1997, 2 ABR 15/97, AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 35 (Hilbrandt), EzA Nr. 46 zu § 15 n. F. KSchG (Kraft).
[6] Ebenso BAG, Beschluss v. 6.3.1986, 2 ABR 15/85, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 19; so noch ausdrücklich MünchArbR, Matthes, 2. Aufl. 2000, § 358 Rz. 21.
[7] BAG, Urteil v. 14.2.1978, 1 AZR 54/76, AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 57; BAG, Urteil v. 16.12.1982, 2 AZR 76/81, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 13.

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