Rz. 15

Nach § 11 Nr. 1 KSchG muss sich der Arbeitnehmer das anrechnen lassen, was er während des Annahmeverzugs des Arbeitgebers durch anderweitige Arbeit verdient hat. Dies können auch Einnahmen aus selbstständiger Arbeit sein.[1] Erzielt der Arbeitnehmer durch eine Tätigkeit während des Annahmeverzugs erst später einen Ertrag, kommt eine anteilmäßige Anrechnung, die der Arbeitsleistung im Verzugszeitraum entspricht, in Betracht. Gegebenenfalls muss der durch eine selbstständige Tätigkeit erzielte Gewinn nach § 287 ZPO geschätzt werden. Einkünfte, die der Arbeitnehmer aus einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen ohne eigene Tätigkeit für das Unternehmen erzielt, sind dagegen grundsätzlich nicht anrechenbar.[2] Erforderlich ist, dass der anderweitige Verdienst gerade dadurch erzielt wurde, dass der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung beim Arbeitgeber verpflichtet war und er deshalb seine Arbeitskraft anderweitig nutzen konnte. Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Fachliteratur muss der anderweitige Erwerb kausal durch das Freiwerden der Arbeitskraft ermöglicht worden sein und darauf beruhen.[3] Anzurechnen ist ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung des Teils seiner Arbeitskraft hätte erwerben können, den er dem Arbeitgeber hätte zur Verfügung stellen müssen. Gegenüberzustellen ist damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, in der Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den er in dieser Zeit anderweitig hätte erwerben können. Der erzielbare Zwischenverdienst ist in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis zwischen der bei dem Arbeitgeber ausgefallenen und der bei Annahme von zumutbarer Arbeit zu leistenden Arbeitszeit entspricht.[4] Dies ist insbesondere auch bei Arbeitnehmern mit mehreren Teilzeitbeschäftigungen oder mit einer Nebenbeschäftigung zu beachten. Ein während der Dauer des Annahmeverzugs erzielter Nebenverdienst bleibt deshalb insoweit anrechnungsfrei, wie er auch bei Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten möglich gewesen wäre.[5] Gegenüberzustellen ist damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser Zeit anderweitig erworben hat. Also ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht. Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde.[6] Wird der Verdienst durch Arbeitsleistungen in der eigentlich freien Zeit erzielt, so unterliegt er nicht der Anrechnung.[7]

 

Beispiel

Arbeitete der (unwirksam) gekündigte Arbeitnehmer als Hausmeister regelmäßig zwischen 8 und 16 Uhr und hatte er bereits während des (Haupt-)Arbeitsverhältnisses zweimal wöchentlich abends zwischen 19 und 21 Uhr noch eine Nebentätigkeit als Auslieferungsfahrer eines Medikamentengroßhändlers, bleiben die Einkünfte aus der Nebentätigkeit anrechnungsfrei. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer die abendliche Nebentätigkeit erst nach Ausspruch der (unwirksamen) Kündigung angenommen hat. In beiden Fällen wird der (Neben-)Verdienst durch Arbeitsleistungen in der eigentlich freien Zeit erzielt.

 
Hinweis

Welche Anforderungen an die Kausalität zu stellen sind, ergibt sich aus dem Normzweck des § 11 Nr. 1 KSchG i. V. m. § 615 Satz 2 BGB. Diese Vorschriften sollen gewährleisten, dass der Arbeitnehmer aus dem Annahmeverzug keinen finanziellen Vorteil zieht. Er soll nicht mehr erhalten, als er bei normaler Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte; er soll nicht auf Kosten des Arbeitgebers einen Gewinn machen. Letzterem soll vielmehr aus Gründen der Billigkeit gestattet sein, die Anrechnung vorzunehmen. Diese Zielsetzung muss jeweils im konkreten Fall verwirklicht werden. Deshalb ist immer aufgrund der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Erwerb kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitsleistung ermöglicht wurde. Anhaltspunkte hierfür können sich sowohl aus objektiven als auch aus subjektiven Umständen ergeben.[8]

 

Rz. 16

Die Darlegungs- und Beweislast für die Anrechnungsvoraussetzungen trägt der Arbeitgeber. Er muss konkret vortragen und beweisen, dass für den Arbeitnehmer eine zumutbare Arbeitsmöglichkeit bestanden hat und dass er in Kenntnis dieser Arbeitsmöglichkeit vorsätzlich untätig geblieben ist oder eine Arbeitsaufnahme verhindert hat.[9] Wenn dem Arbeitgeber die näheren Umstände, deren Kenntnis zur Beurteilung der Kausalität erforderlich ist, nicht bekannt sind, genügt es, wenn er Indizien vorträgt, die für das Vorliegen des Kausalzusammenhangs sprechen. Hat der Arbeitgeber solche Anhaltspunkte vorgetragen, so muss der Arbeitnehmer nach § 138 Abs. 2 ZPO darlegen, weshalb die vom Arbeitgeber behauptete Kausalität nicht vorliegt.[10]

Zusammengefasst: ...

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