Rz. 9

Satz 2 bestimmt, dass für ordentliche Kündigungen während des Insolvenzverfahrens eine Kündigungsfrist von höchstens 3 Monaten zu beachten ist. Aus Satz 1 folgt nicht, dass bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter die gesetzliche Kündigungsfrist einzuhalten ist (BAG, Urteil v. 6.7.2000, 2 AZR 695/99[1]). Ist für das jeweilige Arbeitsverhältnis eine kürzere Kündigungsfrist maßgeblich, so findet diese Anwendung. Ob eine solche kürzere Kündigungsfrist vorliegt, ist im Einzelfall zu beurteilen. Wenn etwa vertraglich eine Kündigungsfrist von 6 Wochen zum Quartalsende vereinbart und die zum nächstmöglichen Quartalsende mögliche Kündigungsfrist soeben verstrichen ist, kann 5 Wochen vor Quartalsende gem. § 113 Satz 2 InsO mit einer 3-monatigen Kündigungsfrist gekündigt werden.[2] Die Frist nach Satz 2 kann nicht durch den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung umgangen werden. Da die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solche keinen wichtigen Grund darstellt, fehlt es insofern schon an einem Kündigungsgrund (LAG Köln, Urteil v. 8.11.2012, 4 Ta 316/12[3]).

 

Rz. 10

Eine kürzere Kündigungsfrist kann sich aus einer gesetzlichen Regelung, einem Tarifvertrag oder einer vertraglichen Vereinbarung ergeben. Folgen hierbei aus unterschiedlichen Rechtsquellen unterschiedliche Vorgaben, so gilt nach den allgemeinen Regeln zunächst die einzelvertragliche Vereinbarung. Ist also etwa arbeitsvertraglich eine längere als die gesetzliche Kündigungsfrist vereinbart, so ist bei einer Kündigung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur 3-Monats-Frist des Satz 2 die längere Frist maßgeblich (BAG, Urteil v. 3.12.1998, 2 AZR 425/98[4]).

 

Rz. 11

Tarifvertragliche und einzelvertragliche Ausschlüsse des Rechts zur ordentlichen Kündigung werden von § 113 InsO verdrängt (BAG, Urteil v. 19.1.2000, 4 AZR 70/99[5]). In einem solchen Fall gilt die 3-monatige Kündigungsfrist. Dies gilt selbst dann, wenn für ältere Arbeitnehmer mit langjähriger Betriebszugehörigkeit sehr lange Kündigungsfristen vorgesehen sind (BAG, Urteil v. 19.1.2000, 4 AZR 70/99[6]). Gegenüber einer Regelung in einem Standortsicherungsvertrag, die ordentliche Kündigungen ausschließt, setzt sich § 113 InsO gleichfalls durch (BAG, Urteil v. 17.11.2005, 6 AZR 107/05[7]). Auch § 323 Abs. 1 UmwG steht einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter nicht entgegen (BAG, Urteil v. 22.9.2005, 6 AZR 526/04[8]).

 

Rz. 12

Gesetzliche Kündigungsfristen, die für das Dienstverhältnis maßgeblich sind, können sich vor allem aus § 622 BGB ergeben. Die Grundkündigungsfrist von 4 Wochen gem. § 622 BGB darf hierbei nicht unterschritten werden. Tarifliche Kündigungsfristen, die über die 3-Monats-Frist hinausgehen, sind vom Insolvenzverwalter nicht zu beachten (BAG, Urteil v. 16.6.1999, 4 AZR 191/98[9]).

 

Rz. 13

Hat der Schuldner als Arbeitgeber vor Einleitung des Insolvenzverfahrens eine Kündigung ausgesprochen, so kann der Insolvenzverwalter nach Einleitung des Insolvenzverfahrens dasselbe Arbeitsverhältnis nach Maßgabe des § 113 InsO (erneut) kündigen (sog. Nachkündigung, BAG, Urteil v. 22.5.2003, 2 AZR 255/02[10]). Dies wird sich insbesondere anbieten, wenn die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgesprochene Kündigung erst nach der 3-Monats-Frist zur tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen würde.

[1] AP InsO § 113 Nr. 6.
[2] Beispiel nach HWK/Annuß, Arbeitsrecht, 8. Aufl. 2018, § 113 InsO, Rz. 8.
[3] Juris.
[4] NZI 1999 S. 165.
[5] AP InsO § 113 Nr. 5; vgl. zum Sanierungstarifvertrag LAG Düsseldorf, Urteil v. 18.11.2015, 4 Sa 478/15, NZI 2016 S. 368.
[6] AP InsO § 113 Nr. 5.
[7] AP InsO § 113 Nr. 19; ErfK/Müller-Glöge, 18. Aufl. 2018, § 113 InsO, Rz. 6.
[8] AP UmwG § 323 Nr. 1.
[9] AP TVG § 1 Tarifverträge Textilindustrie Nr. 26.
[10] NZA 2003 S. 1086.

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