Rz. 128

Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Änderungskündigung ist gegeben, wenn die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen für den Arbeitgeber unabweisbar notwendig ist.[1] Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB ist ferner zu prüfen, ob eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist dem Arbeitgeber unzumutbar wäre.[2]

Im Fall eines tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann eine außerordentliche Änderungskündigung mit notwendiger Auslauffrist in Betracht kommen. In diesem Fall kommt aber der Verpflichtung des Arbeitgebers, die Kündigung – wenn möglich – durch andere Maßnahmen abzuwenden, eine besondere Bedeutung zu.[3] Der Arbeitgeber hat zur Vermeidung einer Kündigung alle in Betracht kommenden Beschäftigungs- und Einsatzmöglichkeiten von sich aus umfassend zu prüfen und eingehend zu sondieren.[4] Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein, dass er auch unter Berücksichtigung der besonderen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, um eine Kündigung zu vermeiden.[5] Es darf keine sich weniger weit als das unterbreitete Änderungsangebot vom bisherigen Vertragsinhalt entfernende Beschäftigungsmöglichkeiten geben.[6] Im Rechtsstreit um eine außerordentliche Änderungskündigung muss der Arbeitgeber darlegen, weshalb naheliegende oder vorprozessual oder im Prozess thematisierte Alternativbeschäftigungen nicht in Betracht kamen.[7] Dem Arbeitgeber kann es im Verhältnis zu einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitnehmer außerdem zumutbar sein, den Zeitraum bis zu einem bereits absehbaren Freiwerden einer anderen Stelle auch ohne eine Änderung der Arbeitsbedingungen zu überbrücken.[8]

Auch der öffentliche Arbeitgeber muss aber grundsätzlich nicht versuchen, zur Vermeidung einer Änderungskündigung eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bei einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zu erreichen.[9]

In der Corona-Pandemie hat sich vermehrt die Frage gestellt, ob eine außerordentliche Änderungskündigung zur Einführung von Kurzarbeit gerechtfertigt sein kann. Sofern diese unmittelbar durch die Änderungskündigung herbeigeführt werden soll, bedarf es nach einer Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg[10] zumindest einer konkreten Darlegung eines erheblichen Arbeitsausfalls i. S. v. § 96 SGB III. Das ArbG Stuttgart[11] hat eine außerordentliche Änderungskündigung als gerechtfertigt angesehen, mit der eine Berechtigung des Arbeitgebers zur Einführung von Kurzarbeit unter näher bestimmten Voraussetzungen und unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist herbeigeführt werden sollte.

 

Rz. 129

Die Vermutungswirkung bei einem Interessenausgleich mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG findet auf eine außerordentliche Änderungskündigung – mit oder ohne Auslauffrist – keine Anwendung.[12]

Eine außerordentliche Änderungskündigung allein mit dem Ziel der Reduzierung des Entgelts eines ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers kann angesichts der hohen Voraussetzungen bereits für ordentliche Änderungskündigungen zur Entgeltsenkung (vgl. Rz. 98 ff.) nur unter noch schärferen Anforderungen zulässig sein[13]. In der vorgenannten Entscheidung hat das BAG ausgeführt, ein solcher Fall könne vorliegen, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen das Ziel habe, der konkreten Gefahr einer Betriebsschließung wegen Insolvenz zu begegnen.[14]

 

Rz. 130

Die Beschränkung einer Änderungskündigung zur Herabgruppierung auf maximal eine Gehaltsgruppe nach § 55 Abs. 2 Unterabsatz 1 BAT ist von § 34 Abs. 2 TVöD nicht übernommen worden.[15] Die Voraussetzungen für eine außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund richten sich daher für die nach § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD ordentlich unkündbaren Arbeitnehmer auch insoweit nach den allgemeinen Maßstäben.

 

Rz. 131

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Voraussetzung ist damit das Vorliegen eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB. Dem Arbeitgeber muss die Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz auch nur bis zum Ablauf der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar sein.[16] Ist eine Weiterbeschäftigung bis dahin zumutbar, ist eine außerordentliche (Änderungs-)Kündigung unwirksam. Eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist ist gegenüber dem durch § 15 KSchG besonders geschützten Personenkreis ausgeschlossen.[17]

[1] BAG, Beschluss v. 21.6.1995, 2 ABR 28/94, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 36, zu B II 2 und B II 2 b der Gründe.
[2] BAG, Beschluss v. 21.6.1995, 2 ABR 28/94, AP KSchG 1969 § 15 Nr. 36, zu B II 2 b der Gründe.
[3] BAG, Urteil v. 28.10.2010, 2 AZR 688/09, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 148, DB 2011, 476, Rz. 33.
[4] BAG, Urteil v. 26.11.2009, 2 AZR 272/08, AP BGB § 626 Nr. 225, NZA 2009, Rz. 35.

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