Rz. 104

Für betriebsbedingte Änderungskündigungen gelten aufgrund der Verweisung in § 2 Satz 1 KSchG auch die Grundsätze der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 KSchG.[1] Prüfungsgegenstand für die soziale Rechtfertigung ist bei einer Änderungskündigung jedoch anders als bei der Beendigungskündigung nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern die Änderung der Arbeitsbedingungen. Hieraus ergeben sich Modifikationen bei der Durchführung der sozialen Auswahl.

 

Rz. 105

Dies betrifft zunächst die Bestimmung des Kreises der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer. Soll sich infolge der Änderungskündigung der Inhalt der geschuldeten Tätigkeit ändern, ist für die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer erforderlich, dass diese nicht nur hinsichtlich der bisher ausgeübten Tätigkeit, sondern auch in Bezug auf die nach der beabsichtigten Änderung der Arbeitsbedingungen auszuübende Tätigkeit austauschbar sind.[2]

 
Praxis-Beispiel

An der Austauschbarkeit in Bezug auf den künftigen Arbeitsplatz kann es fehlen, wenn ein Arbeitnehmer für die neue Tätigkeit mangels erforderlicher Fremdsprachenkenntnisse nicht geeignet ist.

 

Rz. 106

Es geht insoweit nicht um die Berücksichtigung eines in § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG nicht genannten, weiteren Merkmals der Sozialauswahl. Betroffen ist vielmehr die sachgerechte, an dem Änderungsangebot ausgerichtete Bestimmung des Kreises der in die Sozialauswahl überhaupt einzubeziehenden Arbeitnehmer.

 

Rz. 107

Soweit Arbeitnehmer aufgrund eines berechtigten betrieblichen Interesses nach § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG nicht in die soziale Auswahl einbezogen werden sollen, ist zu beachten, dass es für die Sozialauswahl bei der Änderungskündigung nicht darauf ankommt, ob die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers überhaupt, sondern ob seine Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

 

Rz. 108

Das Änderungsangebot ist außerdem von Bedeutung für die Gewichtung der Auswahlkriterien nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Die Sozialauswahl ist bei einer Änderungskündigung nicht allein daran auszurichten, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen würde. Da es bei der ordentlichen Änderungskündigung – unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer sie unter Vorbehalt annimmt oder nicht – um die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebots geht, ist bei der sozialen Auswahl vielmehr darauf Bedacht zu nehmen, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status vergleichbarer Arbeitnehmer auswirkt. Es ist zu prüfen, ob der Arbeitgeber, statt die Arbeitsbedingungen des gekündigten Arbeitnehmers zu ändern, diese Änderung einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer anbieten könnte, dem sie eher zumutbar wäre.[3]

 

Rz. 109

Nach der früheren Rechtsprechung des BAG konnten dabei auch andere als die in § 1 Abs. 3 KSchG n. F. genannten Kriterien Beachtung finden.[4] Seit Inkrafttreten der Neuregelung des § 1 Abs. 3 KSchG durch das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003[5] sind jedoch allein die Kriterien Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten, Lebensalter und Schwerbehinderung bei der sozialen Auswahl maßgebend. Zwar sind diese für die besondere Situation einer Änderungskündigung oft nur eingeschränkt aussagekräftig. Auf eine Heranziehung zusätzlicher Faktoren und Kriterien muss aber wegen der klaren gesetzlichen Regelung verzichtet werden. Es kommt allenfalls eine Beachtung im Rahmen der Gewichtung der Grunddaten aus § 1 Abs. 3 KSchG in Betracht, soweit die ergänzenden Faktoren einen unmittelbaren Bezug zu diesen Grunddaten haben.[6]

 

Rz. 110

Auch für Änderungskündigungen ist grundsätzlich die Aufstellung von Auswahlrichtlinien nach § 1 Abs. 4 KSchG möglich.[7] Dabei sind die Betriebsparteien aber an die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes gebunden. Sie können die gesetzlichen Anforderungen an die Sozialauswahl nicht abweichend von § 1 Abs. 3 KSchG festlegen.[8] Sind diese sozialen Gesichtspunkte nach § 1 Abs. 4 KSchG in einer tarifvertraglichen Regelung oder einer Auswahlrichtlinie nach § 95 BetrVG festgelegt, kann die Bewertung lediglich auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.[9]

Dies gilt nach § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG weitergehend für die Sozialauswahl überhaupt, also auch die Bestimmung des auswahlrelevanten Kreises, auch dann, wenn bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet sind. In diesem Fall wird zudem nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist.[10] Auch § 1 Abs. 5 KSchG findet auf Änderungskündigungen nach § 2 KSchG Anwendung.[11]

[1] S. dazu im Einzelnen Thüsing, § 1 Rz. 807 ff.
[2] BAG, Urteil v. 18.5.2017, 2 AZR 606/16, ArbRAkt 2017, 413, Rz. 17; BAG, Urteil v. 9.9.2010, 2 AZR 936/08, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 14...

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