Rz. 83

In der 1. Stufe bedarf es nach der Verweisung in § 2 Satz 1 KSchG eines Kündigungsgrundes i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG. Danach ist eine Kündigung sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Insoweit gilt grundsätzlich der gleiche Prüfungsmaßstab wie bei einer Beendigungskündigung. Fehlt es an einem Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG, ist die Änderungskündigung bereits aus diesem Grund unwirksam.[1]

 

Rz. 84

Ein Kündigungsgrund in der Person des Arbeitnehmers kommt insbesondere bei krankheitsbedingten Leistungseinschränkungen[2], aber auch bei sonstigen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen in Betracht, wie bei Gewissenskonflikten[3], Sicherheitsbedenken[4] oder einem Entzug der Fahrerlaubnis, aufgrund derer der Arbeitnehmer zur Erbringung der bisherigen vertraglich geschuldeten Tätigkeit nicht mehr in der Lage ist. Die Voraussetzungen entsprechen im Grundsatz denjenigen für eine Beendigungskündigung.[5]

Der Arbeitgeber ist aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedoch verpflichtet, lediglich eine Änderungskündigung auszusprechen, wenn der Arbeitnehmer trotz der personenbedingten Einschränkungen zu anderen als den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter beschäftigt werden kann. Voraussetzung ist, dass ein für den Arbeitnehmer geeigneter freier Arbeitsplatz vorhanden ist.[6]

 
Praxis-Beispiel

[7]: Eine an Wollallergie leidende Näherin kann als Küchenhilfe weiterbeschäftigt werden.

 

Rz. 85

Gründe für eine Änderungskündigung, die im Verhalten des Arbeitnehmers liegen, können sich insbesondere aus schuldhaften Schlecht- oder Minderleistungen oder der Verletzung sonstiger vertraglicher (Neben-)Pflichten ergeben, wenn eine Abmahnung erfolglos geblieben ist, aber zu erwarten ist, dass sich die Pflichtverletzungen auf einem anderen freien Arbeitsplatz nicht wiederholen werden.

 
Praxis-Beispiel
  • Nimmt ein Fahrdienstleiter im öffentlichen Personennahverkehr einen als defekt gemeldeten Bus nicht umgehend aus dem Verkehr, kann nach vorangegangener Abmahnung wegen eines gleichartigen Sachverhalts eine Änderungskündigung berechtigt sein, mit der eine Weiterbeschäftigung als Busfahrer angeboten wird.[8]
  • Kann der Arbeitnehmer auf einen anderen freien Arbeitsplatz auch durch Ausübung des Direktionsrechts versetzt werden, wäre eine Änderungskündigung allerdings unverhältnismäßig (s. o. Rz. 16).

Auch dann, wenn als milderes Mittel eine Abmahnung in Betracht kommt, ist eine verhaltensbedingte Änderungskündigung ebenso wie eine Beendigungskündigung sozial ungerechtfertigt.[9]

 

Rz. 86

Praktisch bedeutsam ist vor allem die betriebsbedingte Änderungskündigung. Sie ist sozial gerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.[10] Ein anerkennenswerter Anlass (1. Stufe) ist dann gegeben, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat.[11] Ein anerkennenswerter Anlass kann z. B. auf einer nur der Missbrauchskontrolle unterliegenden unternehmerischen Entscheidung zur Umstrukturierung des Betriebs beruhen.

 
Praxis-Beispiel

[12]: Die Verkürzung der Öffnungszeiten eines Personal-Shops hat die Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung der dort beschäftigten Arbeitnehmer mit dem bisherigen Umfang ihrer Arbeitszeit entfallen lassen.

Die Darlegungslast des Arbeitgebers im Prozess, dass eine organisatorische Maßnahme den Bedarf an der Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers mit seiner bisherigen Tätigkeit hat entfallen lassen, entspricht derjenigen bei einer betriebsbedingten Beendigungskündigung.[13]

 

Rz. 87

Eine Änderungskündigung wegen einer erst in mehreren Jahren erwarteten betrieblichen Notwendigkeit einer Änderung der Arbeitsbedingungen ist mangels der erforderlichen Dringlichkeit der Änderungsmaßnahme als sog. Vorratskündigung – ebenso wie eine Beendigungskündigung in solchen Fällen[14] – unwirksam[15].

 

Rz. 88

Sind in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Betriebsänderung i. S. v. § 111 BetrVG die Arbeitnehmer, denen eine Änderungskündigung ausgesprochen werden soll, namentlich bezeichnet, greift die Vermutungsregel nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt ist. Die Anwendbarkeit von § 1 Abs. 5 KSchG auch auf Änderungskündigungen hat das BAG höchstrichterlich bestätigt.[16] Die Reichweite der Vermutung nach § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG erstreckt sich insoweit auf den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses zu den bisherigen Bedingungen, einschließlich des Fehlens einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb.[17] Jedenfalls dann, wenn der Interessenausgle...

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