1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 624 BGB dient dem Schutz des Dienstverpflichteten vor einer übermäßigen Beschränkung seiner persönlichen Freiheit und Mobilität durch die Bindung an längerfristige Dienstverträge.[1] Während Satz 1 zwingende Wirkung zukommt, kann die Kündigungsfrist des Satz 2 verkürzt, nicht aber verlängert werden. Anhand der Norm wird deutlich, dass Dienstverträge auf Lebenszeit nicht sittenwidrig i. S. v. § 138 BGB sind.

2 Anwendungsbereich

 

Rz. 2

Die Vorschrift erfasst nur befristete Dienstverhältnisse. Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse; für diese wurde eine inhaltsgleiche Spezialregelung in § 15 Abs. 4 TzBfG geschaffen. Auf gemischte Verträge findet § 624 BGB zumindest entsprechende Anwendung, wenn die persönliche Dienstleistung überwiegt.[1] Das kann insbesondere dann angenommen werden, wenn das Vertragsverhältnis mehr personen- und weniger unternehmensbezogen ist.[2] Denkbar erscheint dies bei Rahmenlieferverträgen.[3]

Geboten ist eine entsprechende Anwendung zudem bei Handelsvertreterverträgen.[4] Diskutiert wird eine analoge Anwendung auch bei Verfallklauseln in Bezug auf Aktienoptionen, um eine überlange Bindungsdauer des Arbeitnehmers zu verhindern. Hierbei könne eine der rechtlichen gleichzustellende faktische Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit vorliegen.[5] Tankstellen-Stationär-Verträge unterfallen dagegen nicht dem Anwendungsbereich des § 624 BGB, da sie vornehmlich eine unternehmensbezogene Tätigkeit zum Gegenstand haben.[6] Keine Anwendung findet die Vorschrift zudem auf Personalüberlassungsverträge, die keine Dienstverträge, sondern privatrechtliche Verträge eigener Art sind.[7]

Nicht geklärt ist, ob sich eine juristische Person einschränkungslos auf das Kündigungsrecht nach § 624 BGB berufen kann.[8]

[1] BGH, Urteil v. 25.5.1993, X ZR 79/92, NJW-RR 1993, 1460; OLG Koblenz, Urteil v. 1.10.2013, 3 U 328/13, BeckRS 2013, 16990; enger Kühne, ZVertriebsR 2015, 156, 157, der darauf abstellt, dass die persönliche Leistungserbringung im Vordergrund steht.
[2] OLG Koblenz, Urteil v. 1.10.2013, 3 U 328/13, BeckRS 2013, 16990 in Bezug auf einen Nutzungs- und Organisationsvertrag zwischen einem Golfclub und der Betreibergesellschaft.
[4] MünchKomm/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 624 BGB Rz. 4.
[5] MünchKomm/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 624 Rz. 5; ausführlich Staake, NJOZ 2010, 2494 ff.
[8] Zweifelnd, aber im Ergebnis offen lassend OLG Köln, Urteil v. 20.3.2020, 20 U 240/19, NJW 2020, 1976, 1979 Rz. 33.

3 Voraussetzungen

 

Rz. 3

§ 624 BGB räumt dem Dienstverpflichteten ein Recht zur Kündigung ein, wenn das Dienstverhältnis auf Lebenszeit oder für eine Dauer von mehr als 5 Jahren abgeschlossen worden ist. Auf Lebenszeit bedeutet dabei, dass der Vertrag mit dem Tod des Dienstverpflichteten, des Dienstberechtigten oder eines Dritten enden soll. Die 5-Jahres-Frist beginnt nicht bereits mit Abschluss des Vertrags zu laufen, sondern erst mit Dienstantritt.[1] Abgesehen von einer normalen Befristung kann sich der Dienstverpflichtete auch einer auflösenden Bedingung oder Zweckbefristung bedienen, soweit diese nicht vor Ablauf von 5 Jahren eintreten.[2] Ist ein Dienstverhältnis für die Dauer von 5 Jahren eingegangen und soll es sich nach Parteivereinbarung um weitere 5 Jahre verlängern, findet die Vorschrift keine Anwendung, falls der Dienstverpflichtete nicht zuvor innerhalb einer angemessenen Frist kündigt.[3]

[1] Erman/Riesenhuber, 16. Aufl. 2020, § 624 BGB Rz. 7; HWK/Bittner/Tiedemann, 9. Aufl. 2020, § 624 BGB Rz. 15.
[3] BGH, Urteil v. 19.12.1991, 2 AZR 363/91, NZA 1992, 543.

4 Rechtsfolge

 

Rz. 4

§ 624 Satz 2 BGB gibt dem Dienstverpflichteten ein außerordentliches Kündigungsrecht mit 6-monatiger Frist. Die Kündigung muss allerdings nicht unmittelbar nach Ablauf der 5 Jahre erfolgen, sondern kann zu jedem danach liegenden Zeitpunkt ausgesprochen werden.[1]

Dabei handelt es sich um eine Höchstkündigungsfrist, die im Interesse des Kündigenden liegt und angesichts dessen nur einseitig zwingend ist.[2]

[1] MünchKomm/Henssler, 8. Aufl. 2020, § 624 BGB Rz. 13; Schaub ArbR-HdB/Koch, 19. Aufl. 2021, § 38 III Rz. 27.

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