Rz. 19

Der Freistellungsanspruch besteht nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit. Zur Beurteilung dieser Anspruchsvoraussetzung ist auf das Verhältnis der Verhinderungszeit zur gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen.

Damit kann bei einem langjährigen Beschäftigungsverhältnis selbst ein größerer Verhinderungszeitraum noch "unerheblich" sein. Eine klare Linie der Rechtsprechung über die für unerheblich gehaltenen Zeiträume gibt es nicht. Bei Beschäftigungszeiten bis zu drei Monaten soll ein Tag als unerheblich anzusehen sein, bei Beschäftigungszeiten von drei bis sechs Monaten drei Tage, von sechs bis zwölf Monaten eine Woche, ab einem Jahr höchstens zwei Wochen[1].

 

Rz. 20

Bei der Arbeitsverhinderung wegen der Betreuung erkrankter Kinder ist eine Orientierung an § 45 SGB V möglich. In der ursprünglichen Fassung sah § 45 SGB V einen Zeitraum von fünf Arbeitstagen je Pflegefall vor, der als verhältnismäßig nicht erheblicher Zeitraum angesehen wurde. Nachdem der Freistellungszeitraum nunmehr z. B. für Alleinerziehende auf max. 50 Arbeitstage pro Kalenderjahr ausgedehnt wurde – also mehr als ein Fünftel der Gesamtjahresarbeitszeit – ist eine schematische Übertragung der Vorgaben nicht mehr möglich. Je Pflegefall wird – wie bisher – ein Zeitraum von bis zu fünf Tagen als verhältnismäßig nicht erheblich anzusehen sein[2]. Allerdings stellt dieser Zeitraum keine starre Grenze dar. Der Arbeitnehmer ist einerseits grundsätzlich verpflichtet, sich bereits vor Ablauf von fünf Tagen um eine andere Pflegemöglichkeit zu bemühen; andererseits kann bei bereits lang andauernden Arbeitsverhältnissen auch ein längerer Zeitraum als nicht erheblich anzusehen sein.

 

Rz. 21

Dauert die Verhinderung eine erhebliche Zeit, so verliert der Arbeitnehmer den Vergütungsanspruch insgesamt, d. h. auch für den nicht erheblichen Zeitraum (so bereits Großer Senat, BAG, Urteil v. 18.12.1959, GS 8/58[3]). Das heißt, der Arbeitnehmer kann dann auch nicht nur für einen Teil der Verhinderungsdauer einen Vergütungsfortzahlungsanspruch geltend machen (sog. "Alles-oder-Nichts-Prinnzip").

[1] Vgl. Schaub, ArbR-Hdb., § 97 II, 3; Erman, Belling, § 616 BGB, Rz. 48 unter Hinweis auf LAG Düsseldorf, DB 1966, 1057 und LAG Frankfurt, DB 1956, 647.
[2] Küttner, Griese, Arbeitsverhinderung, Rz. 13.
[3] AP Nr. 22 zu § 616 BGB.

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