Rz. 16

Wer Arbeitnehmer ist, steht nach § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB nicht zur Disposition der Arbeitsvertrags- oder TV-Parteien.[1] Eine von den arbeitsrechtlichen Vorgaben abweichende Vereinbarung und Zuordnung des Rechtsverhältnisses ist unwirksam. Haben die Vertragsparteien allerdings das Dienstverhältnis eines freien Mitarbeiters ausdrücklich als Arbeitsverhältnis gewollt, so ist das Rechtsverhältnis als Arbeitsvertrag zu behandeln, auch wenn es sich um einen freien Dienstvertrag handelt.[2] Das Arbeitsrecht ist Arbeitnehmerschutzrecht und darf dem Arbeitnehmer nicht durch Vereinbarung genommen, wohl aber dem Nichtarbeitnehmer gegeben werden. Für den umgekehrten Fall, dass die Parteien ein Arbeitsverhältnis als freies Dienstverhältnis gewollt haben, führt jedoch die Fehlanordnung dazu, dass der bisher zu Unrecht nicht als Arbeitnehmer Behandelte rückwirkend wie ein Arbeitnehmer zu behandeln ist. In diesem Irrtum liegt für sich allein kein Lösungsrecht des Arbeitgebers begründet.[3] Eine Anfechtung wegen Irrtums scheidet als bloßer Rechtsfolgenirrtum aus.[4] Bei beidseitigem Irrtum mag im Einzelfall eine Kontrolle nach den Regeln der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB möglich sein.[5] Kommt es zu einer Vertragsanpassung, wird diese regelmäßig nur auf die Zukunft ausgerichtet sein. Für die Vergangenheit sind Rückforderungsansprüche gegen den Arbeitnehmer ausgeschlossen. Ein Arbeitnehmer, der als vermeintlich freier Mitarbeiter ein höheres Gehalt bekam als seine als Arbeitnehmer beschäftigten und nach TV entlohnten Kollegen, hat ebenfalls nur einen Anspruch auf Tariflohn.[6] Die Veränderung des rechtlichen Status eines Mitarbeiters vom Selbstständigen zum Arbeitnehmer führt jedoch nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit einer bestehenden Vergütungsvereinbarung. Dies gilt regelmäßig nur dann, wenn der Arbeitgeber – wie insb. im öffentlichen Dienst – Selbstständige und freie Mitarbeiter in unterschiedlicher Form (Stundenpauschale bzw. Tarifgehalt) vergütet. Die für ein Dienstverhältnis getroffene Vergütungsabrede ist nicht allein deshalb unwirksam oder aus anderen Gründen unbeachtlich, weil das Rechtsverhältnis in Wahrheit ein Arbeitsverhältnis ist.[7]

[2] BAG, Urteil v. 21.4.2005, 2 AZR 125/04, AP KSchG 1969 § 1 Nr. 134 Betriebsbedingte Kündigung; NZA 2010, 877.
[4] Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 51 (Über die Thematik: Temming in MünchArbR, § 18, Rz. 41: Bei der Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses wird im Zweifel ohnehin ein Arbeitsverhältnis vorliegen.).
[7] BAG, Urteil v. 12.12.2001, 5 AZR 257/00, DB 2002, S. 1723 in Abgrenzung zu BAG, Urteil v. 21.11.2001, 5 AZR 87/00, NZA 2002, 624.

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