Rz. 10

Das Problem, den Begriff des Arbeitnehmers zu definieren, stellt sich nicht nur im Arbeitsrecht, sondern in ähnlicher Form auch im Sozialversicherungsrecht (SozV-Recht) und Steuerrecht. Es stellt sich nicht nur in Deutschland, sondern international.[1] Grundnorm des SozV-Rechts ist § 7 SGB IV. In dessen Abs. 1 ist als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit insb. in einem Arbeitsverhältnis umschrieben. Die Formulierung der Vorschrift ("insbesondere") zeigt, dass die arbeitsrechtliche Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft nicht zwingend mit derjenigen eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses übereinstimmt.[2] Die sozialversicherungsrechtlichen Kriterien sind nicht mit dem in der arbeitsgerichtlichen Rspr. in Jahrzehnten herausgearbeiteten Prüfprogramm, mithilfe dessen der personelle Geltungsbereich des Arbeitsrechts zu bestimmen ist, identisch. In diese Abgrenzung wollte der Gesetzgeber, wie allein der sozialversicherungsrechtliche Standort der Vorschrift zeigt, auch gar nicht eingreifen; er hat sich zur Bewältigung des Problems der sog. "Scheinselbstständigkeit" vielmehr auf eine kleine, d. h. bloß sozialversicherungsrechtliche Lösung beschränkt.

 

Rz. 11

Im Steuerrecht wird zwischen Einkünften aus selbstständiger und nicht selbstständiger Arbeit[3] unterschieden; bei Letzterer ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Lohnsteuer des Arbeitnehmers einzubehalten und an die zuständige Finanzbehörde abzuführen (sog. LStAbzugsverfahren). Der Begriff der unselbstständigen Tätigkeit ist in § 1 Abs. 1 LStDV inhaltlich in Anlehnung an den arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff definiert. Dabei ist jedoch anerkannt, dass die Vorschrift eine eigenständige Arbeitnehmerdefinition statuiert, die sich nicht durch die Aufzählung bestimmter Merkmale festlegen lässt, sondern im Einzelfall durch eine Gesamtwürdigung der Verhältnisse bestimmt wird[4] und nicht mit dem arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff übereinstimmen muss.[5] Dies zeigt sich insb. darin, dass freie Mitarbeiter grds. als nicht selbstständig i. S. d. Steuerrechts erachtet werden, es sei denn, dass sie nur für einzelne Produktionen tätig werden; eine von vornherein auf Dauer angelegte Tätigkeit sei in jedem Fall als nicht selbstständig zu erachten.[6] Nach arbeitsrechtlicher Kategorisierung werden sie, sofern die Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffs nicht vorliegen, hingegen trotz des Dauercharakters des Vertragsverhältnisses als freie Dienstnehmer i. S. d. § 611 BGB angesehen und unterfallen nicht dem arbeitsrechtlichen Schutz.

[1] Ausführlich: Thüsing, Scheinselbständigkeit im internationalen Kontext, 2011.
[2] Brand, Zur sozialversicherungsrechtlichen Begriffsbestimmung, NZS 1997, 552; Kretschmer, RdA 1997, S. 327.
[6] Vgl. Erlass des Bundesministers der Finanzen über den Steuerabzug und Arbeitslohn bei unbeschränkt einkommenssteuerpflichtigen Künstlern und verwandten Berufen, BStBl 1990, S. 638.

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