1 Rechtliche Einordnung

Das Bundesarbeitsgericht[1] hat bekräftigt, dass während des Wiedereingliederungsverhältnisses die arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten ruhen.

1.1 Vertrag eigener Art

Nimmt der Arbeitnehmer eine (teilweise) Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber im Rahmen der Wiedereingliederung auf, handelt es sich um kein Arbeitsverhältnis, soweit die Tätigkeit ausschließlich zu Rehabilitationszwecken erfolgt.[1] Die Vereinbarung über die stufenweise Wiederaufnahme der Tätigkeit ist vielmehr als Vertrag eigener Art nach §§ 241, 311 BGB anzusehen.

1.2 Rechte und Pflichten

Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung der Arbeitsvertragsparteien, ein Wiedereingliederungsverfahren durchzuführen. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, seine Arbeitskraft – teilweise – zu verwerten. Auch der Arbeitgeber ist weder berechtigt noch verpflichtet, die Teilarbeitsfähigkeit anzufordern oder dem Arbeitnehmer einen entsprechenden Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen.

Die stufenweise Wiedereingliederung (auch Hamburger Modell genannt) ist in § 74 SGB V geregelt und dient dazu, den erkrankten Arbeitnehmer schrittweise wieder an seine alte Arbeit heranzuführen, wobei der zeitliche Umfang der Tätigkeit nach und nach gesteigert wird. Die stufenweise Wiedereingliederung erfolgt grundsätzlich auf freiwilliger Basis. Erforderlich ist, dass der Sozialversicherungsträger (die Krankenkasse, die Rentenversicherung oder die Agentur für Arbeit), Arbeitnehmer und Arbeitgeber zustimmen. Die Wiedereingliederung erfolgt auf Grundlage eines ärztlichen Wiedereingliederungsplans, der vorgibt, in welchen Stufen die Arbeit wieder aufgenommen wird.

 
Achtung

Abgrenzung zum BEM

Neben der stufenweisen Wiedereingliederung gibt es das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM). Zweck des BEM ist es, den Ursachen von Arbeitsunfähigkeitszeiten des Beschäftigten nachzugehen und nach Möglichkeiten zu suchen, künftig Arbeitsunfähigkeitszeiten zu vermeiden oder zumindest zu verringern.

Der Arbeitgeber ist unter den Voraussetzungen des § 167 Abs. 2 SGB IX zur Durchführung eines BEM verpflichtet. Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Arbeitnehmer hat in diesen Fällen einen rechtlichen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf Unterstützung bei der Wiederaufnahme der Arbeit. Im Rahmen eines BEM kann der Arbeitnehmer Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben haben, dieses geht also deutlich weiter als die stufenweise Widereingliederung.

Das BEM und die stufenweise Wiedereingliederung können kombiniert werden.

Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines gesetzlich gebotenen betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) zu ergreifen; dazu gehört, dass er den Arbeitnehmer auf die Ziele des BEM sowie die Art und den Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist.[1] Nur unter den engen Voraussetzungen des § 164 Abs. 4 Satz 3 SGB IX kann der Arbeitgeber die Mitwirkung an der Wiedereingliederung ablehnen.[2]

Der Arbeitgeber kann auch zur mehrfachen Durchführung eines BEM verpflichtet sein. Er muss z. B. dann grundsätzlich ein neuerliches BEM durchführen, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines BEM erneut länger als 6 Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war.[3]

[2] Vgl. etwa BAG, Urteil v. 13.6.2006, 9 AZR 229/05 zum inhaltsgleichen § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX a. F.

1.3 Urlaub

Ebenso wie die Hauptleistungspflichten ruhen, ist auch der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers während der Wiedereingliederung nicht erfüllbar, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mangels bestehender Arbeitspflicht nicht von dieser befreien kann.[1]

2 Durchführung

Der Arzt soll gemäß § 74 SGB V auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Art und Umfang der infrage kommenden Tätigkeiten angeben und in geeigneten Fällen die Stellungnahme des Betriebsarztes oder mit Zustimmung der Krankenkasse die Stellungnahme des Medizinischen Dienstes einholen.[1]

3 Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit

Die ärztliche Feststellung der Teilarbeitsfähigkeit löst keine unmittelbaren arbeitsrechtlichen Folgen aus. Insbesondere gilt der Arbeitnehmer während der Wiedereingliederung als weiterhin arbeitsunfähig, da er arbeitsvertraglich seine volle, ungeschmälerte Arbeitsleistung zu erbringen hat.

Der Arbeitnehmer ist gemäß § 5 Abs. 1 EFZG verpflichtet, dem Arbeitgeber das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit zu Beginn und auch während der stufenweisen Wiedereingliederung in regelmäßigen Abständen durch eine ärztliche Bescheinigung nachzuweisen.

 
Hinweis

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)

Die h...

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