Neben Kündigungsschutzklagen sind im Arbeitsrecht noch weitere Bestandsschutzstreitigkeiten denkbar, die das Arbeitsverhältnis als solches in seinem Bestand betreffen. Das Arbeitsgericht ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3b ArbGG für Klagen dieser Art zuständig.

Für Bestandsschutzstreitigkeiten einschl. Kündigungsschutzverfahren besteht in § 61a ArbGG eine besondere Prozessförderungspflicht. Sie verschärft die Beschleunigungspflicht des § 9 Abs. 1 ArbGG. So soll nach § 61a Abs. 2 ArbGG die Güteverhandlung innerhalb von 2 Wochen nach Klageerhebung stattfinden. Ist die Güteverhandlung erfolglos, ist bei der Anberaumung des Kammertermins den Bestandsschutzstreitigkeiten ein besonderer Vorrang einzuräumen. Zur Vorbereitung sind der Beklagtenseite und danach der klägerischen Partei jeweils Erwiderungsfristen von mindestens 2 Wochen zu setzen.[1]

Zu Bestandsschutzstreitigkeiten gehören z. B. Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit der Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber.[2] Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Geltendmachung von Willensmängeln und Gesetzesverstößen mit der Folge der Nichtigkeit des Vertrages beim Arbeitsvertrag eingeschränkt ist. So kann die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Irrtums grundsätzlich keine ex-tunc-Wirkung entfalten, wie in § 142 Abs. 1 BGB vorgesehen. Sie kann nur in die Zukunft wirken. Das Gleiche gilt für die Geltendmachung der Nichtigkeit eines Arbeitsvertrages.

In den rechtlichen Folgen ähnelt die Anfechtung des Vertrages der fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber. Allerdings bezieht sich die außerordentliche Kündigung auf eine Störung, welche die weitere Durchführung des mangelfrei geschlossenen Arbeitsvertrages betrifft, während die Anfechtung auf Störungen bezogen ist, die den Vertragsschluss betreffen.

 
Praxis-Beispiel

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsvertrages

  • nachhaltige und vorsätzliche Verweigerung der Arbeitsleistung,
  • eigenmächtiger Urlaubsantritt des Arbeitnehmers,
  • ungerechtfertigtes und unentschuldigtes Fernbleiben von der Arbeit wegen vorgetäuschter Krankheit,
  • Missbrauch einer erteilten Vollmacht.

In diesen Fällen ist der Arbeitsvertrag mangelfrei geschlossen worden.

Anfechtung des Arbeitsvertrages

  • wegen Irrtums in der Person des Vertragspartners: Vertragsschluss mit einem "Fachbetrieb", der nicht in der Handwerksrolle eingetragen ist, wobei es für den Vertragsschluss auf diese Eintragung ankommt; Vorstrafen des Arbeitnehmers, wenn es für die konkrete Tätigkeit in besonderem Maße auf dessen Vertrauenswürdigkeit ankommt;
  • wegen arglistiger Täuschung bei Verletzung von Aufklärungspflichten des Arbeitnehmers bei Vertragsschluss: gesundheitliche Beschwerden des Arbeitnehmers gefährden erheblich seine Leistungsfähigkeit; Verbüßung einer rechtskräftig erkannten Strafe des Arbeitnehmers steht bevor; transsexueller Arbeitnehmer bewirbt sich vor der Anerkennung der Geschlechtsumwandlung als Arzthelferin.

In diesen Fällen ist die Störung bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhanden.

Bei Bestandsschutzstreitigkeiten dieser Art muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass ein Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgrund besteht.

Auch bei Streitigkeiten über die Wirksamkeit von Aufhebungsverträgen[3] über eine rechtswirksame Befristung eines Arbeitsvertrages oder bei Streitigkeiten über eine Kündigung durch den Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen, dass der Aufhebungsvertrag rechtswirksam abgeschlossen wurde, dass das Arbeitsverhältnis rechtswirksam befristet wurde bzw. dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt hat.

Bei Streitigkeiten über die wirksame Befristung des Arbeitsvertrages gehört zur Darlegungslast des Arbeitgebers auch, dass der Arbeitgeber bei einer Befristung von mehr als zwei Jahren den sachlichen Grund für Befristung nach § 14 TzBfG vortragen muss. Dies betrifft insbesondere den sachlichen Grund des § 14 Abs. 1 Nr. 1 TzBfG. Danach muss der Arbeitgeber darlegen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine sachlich begründete Prognose vorlag, nach der der Arbeitsplatz aller Voraussicht nach aufgrund des nur vorübergehenden Bedarfs an der Arbeitsleistung wieder in Wegfall geraten wird und gerade deshalb die Befristung vorgenommen wurde.

Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf zudem die wirksame Befristung eines Arbeitsvertrags zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Erst mit Unterzeichnung eines befristeten Arbeitsvertrags ist die Schriftform gewahrt. Insoweit obliegt dem Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Macht der Arbeitgeber sein Angebot zum Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags von der Rückgabe des unterzeichneten Arbeitsvertrags abhängig, wird die Schriftform auch dann gewahrt, wenn der Arbeitnehmer zunächst die Arbeit antritt und den Arbeitsvertrag erst später unterzeichnet. Durch den vorherigen Arbeitsantritt wird in diesem speziellen Fall noch kein unbefristetes Arbeitsverhältnis eingegangen.[4]

Der Antrag des Arbeitnehmers im Rahmen einer solchen Entfristungsklage ist hier wie bei einer Kündigungsschutz...

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