Rz. 10

Mit der Einräumung eines außerordentlichen Kündigungsrechts wird der Tatsache Rechnung getragen, dass der private Pflegeversicherungsvertrag trotz gesetzlich angeordneter Abschlusspflicht (vgl. § 23 und Komm. dort) und Kontrahierungszwangs seitens des Versicherungsunternehmens (vgl. § 110 und Komm. dort) erst und nur durch eine privatrechtliche Vereinbarung zustande kommt. Die Versicherungspflicht oder Familienversicherung in der sozialen Pflegeversicherung entsteht und besteht dagegen grundsätzlich kraft Gesetzes, auch neben und unabhängig von einer zivilrechtlich vereinbarten gleichartigen Versicherung. Der Eintritt von Pflegeversicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung führt nicht kraft Gesetzes dazu, dass damit auch der private Pflegeversicherungsvertrag endet und/oder sich erledigt, selbst wenn dieser z. B. in Erfüllung der Verpflichtung aus § 22 Abs. 1 Satz 2 im Falle einer Befreiung oder aufgrund von § 23 abgeschlossen worden war. Der zivilrechtlich vereinbarte Pflegeversicherungsvertrag muss vielmehr durch den Versicherungsnehmer nach zivilrechtlichen Regelungen wirksam gekündigt werden. § 27 gibt daher dem privat Pflegeversicherten ein Sonderkündigungsrecht bei Eintritt von Pflegeversicherungspflicht oder einer Familienversicherung in der sozialen Pflegeversicherung. Sinn und Zweck des Sonderkündigungsrechts besteht daher darin, es privat Pflegeversicherten zu ermöglichen, eine Doppelversicherung mit insbesondere doppelter Beitragspflicht zu vermeiden, wenn sie in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig werden oder für sie eine Familienversicherung eintritt (so die Begründung in BT-Drs. 12/5262 S. 107 zu dem damaligen § 23, der § 27 entspricht). Daher ist grundsätzlich auch die rückwirkende Kündigung mit Wirkung zum Zeitpunkt des Eintritts von Pflegeversicherungspflicht vorgesehen.

 

Rz. 11

Vom Kündigungsrecht des § 27 werden nur solche Pflegeversicherungsverträge erfasst, die inhaltlich dem Versicherungsschutz in der sozialen Pflegeversicherung entsprechen. Das Kündigungsrecht nach § 27 Satz 1 ist auf die Fälle beschränkt, dass Pflegeversicherungspflicht nach § 20 oder § 21 eintritt. Wurde ein privater Pflegeversicherungsvertrag daher neben einer bestehenden Pflegepflichtversicherung abgeschlossen, ist § 27 nicht anwendbar (BSG, Urteil v. 29.11.2006, B 12 P 1/05 R, BSGE 97 S. 285). Ob und wann Versicherungspflicht eintritt, bestimmt sich nach §§ 20, 49 i. V. m. § 5 SGB V, also der Erfüllung des objektiven und vollständigen Tatbestandes einer Versicherungspflicht (vgl. Komm. zu § 20). Für die Pflegeversicherungspflicht gehört dazu (zusätzlich) auch, dass überhaupt Krankenversicherungspflicht eintritt. Insofern sind auch Ausschlusstatbestände für die Krankenversicherungspflicht (Krankenversicherungsfreiheit nach §§ 6 oder 7 SGB V, hauptberufliche Selbständigkeit nach § 5 Abs. 5 SGB V, Befreiung nach § 8 SGB V) zu beachten. Wegen der rechtlichen Abhängigkeit der Pflegeversicherungspflicht von der Krankenversicherungspflicht ist zumeist das Eintreten von Krankenversicherungspflicht auch der Grund für den Eintritt von Pflegeversicherungspflicht. Typischer Fall ist daher die Aufnahme einer krankenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder beschäftigungsähnlichen Tätigkeit, der Eintritt von Krankenversicherungspflicht wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze oder der Wegfall von Ausschlussgründen, die Versicherungspflicht bei Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, die Versicherungspflicht als Rentner, Student, Praktikant etc. oder nach sonstigen Gesetzen. Das außerordentliche Kündigungsrecht besteht dann, wenn zuvor eine private Kranken- und Pflegeversicherung bestand.

 

Rz. 12

Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung kann (nach § 20 Abs. 3) auch dadurch eintreten, dass ein dazu Berechtigter eine freiwillige Krankenversicherung durch Beitritt (§ 9 i. V. m. § 188 SGB V) begründet. Insbesondere bei den beitrittsberechtigten Personen, die erstmals eine Beschäftigung im Inland aufnehmen (Beschäftigungen vor oder während der beruflichen Ausbildung bleiben unberücksichtigt) und nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei sind (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) und Arbeitnehmern, deren Mitgliedschaft durch Beschäftigung im Ausland oder bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation endete, wenn sie innerhalb von 2 Monaten nach Rückkehr in das Inland oder nach Beendigung ihrer Tätigkeit bei der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation wieder eine versicherungsfreie Beschäftigung aufnehmen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 SGB V), können sich Probleme ergeben, weil für diese Fälle in § 188 Abs. 2 Satz 2 SGB V vorgesehen ist, dass die freiwillige Mitgliedschaft mit dem Tag der Aufnahme der Beschäftigung beginnt, also ggf. auch rückwirkend, wenn die Beitrittserklärung innerhalb der Frist von 3 Monaten (vgl. § 9 Abs. 2 SGB V) erfolgt. Bei diesem Personenkreis ist nicht auszuschließen, dass sie noch über einen privaten Pflegeversicherungsvertrag verfügen. Hier wird man a...

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