Rz. 15

Die Wunschrechte des Leistungsberechtigten stoßen da an ihre Grenzen, wo es um Wünsche geht, die

  • dem Heilungs- bzw. Gesundungsprozess massiv entgegenstehen oder
  • den Teilhabebedarf, die Zielrichtung (z. B. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit) oder die Leistungsqualität der Dienstleistungen nicht ausreichend berücksichtigen (z. B. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wird bei der Hörgeräteversorgung bei einem schwerhörigen Rehabilitanden sehr viel umfassender ermöglicht als das vom Rehabilitanden begehrte Hilfsmittel "Signalhund", LSG Hamburg, Urteil v. 12.9.2019, L 4 SO 85/17)

    oder

  • in der Gesamtbetrachtung unpraktikabel oder unmöglich sind oder
  • den unter Rz. 2 aufgeführten Gründen nicht entsprechen.

Gesetzliche Leistungsausschlüsse können weder mit dem Wunschrecht umgangen werden, noch mit dem Persönlichen Budget (§ 29) durchgesetzt werden. Der Rehabilitand hat dann die notwendigen Mehrkosten selbst zu tragen.

 

Rz. 16

Wählt der Rehabilitand Leistungen, die nicht durch das normale Leistungsspektrum oder durch einen berechtigten Wunsch i. S. d. § 8 abgedeckt sind, hat er die Mehrkosten selbst zu tragen. Kommt der Rehabilitationsträger im Rahmen seines Ermessens zu der Entscheidung, dass der Wunsch des Betroffenen grundsätzlich "berechtigt" ist, spielt die Höhe der Mehrkosten nur noch eine untergeordnete Rolle (in Anlehnung an SG Oldenburg, Urteil v. 13.1.2022, S 63 KR 261/20).

Grundsätzlich sind als Mehrkosten bei einer stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation die Kosten zwischen einer Leistung, deren Kosten im Rahmen des Wunschrechts berechtigt sind, und der gewählten Leistung zu ermitteln. Maßstab für die Berechnung des Kostenunterschiedes zwischen berechtigter Wunschleistung und einer darüber hinausgehenden, vom Rehabilitanden selbst gewählten Mehrleistung kann nicht die kostengünstigste Rehabilitationseinrichtung sein, mit der der Rehabilitationsträger einen Versorgungsvertrag geschlossen hat, wenn diese preiswerte Rehabilitationseinrichtung z. B. unangemessen weit vom Wohn-/Aufenthaltsort des Rehabilitanden entfernt liegt und damit dem Rehabilitanden unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes zu lange Fahrzeiten zumutet.

 
Praxis-Beispiel

Der 82-jährige verwitwete Rehabilitand erlitt vor 2 Wochen eine ausgeprägte Halbseitenlähmung nach Apoplex. Nach 14-tägiger stationärer Behandlung im Krankenhaus soll er im Rahmen der Anschluss-Rehabilitation vom Krankenhaus in die 200 km entfernte Rehabilitationseinrichtung "Sonnenpark" verlegt werden. Das ist die preiswerteste neurologische Rehabilitationseinrichtung, mit der der Rehabilitationsträger einen Versorgungsvertrag (§ 38) unterhält. Der Transport vom Krankenhaus zur Rehabilitationseinrichtung soll mit einem Kleinbus der Rehabilitationseinrichtung (Liegendtransport) erfolgen.

Der Rehabilitand erklärt gegenüber dem Rehabilitationsträger, dass er gerne in der 30 km vom Wohnort entfernten neurologischen Rehabilitationseinrichtung "Waldesruh" aufgenommen werden möchte. Hintergrund ist, dass ganz in der Nähe zu dieser Rehabilitationseinrichtung die einzige Tochter des Rehabilitanden wohnt, mit der er ein sehr gutes familiäres Verhältnis pflege. Sie habe keinen PKW und könnte ihn während der Rehabilitation regelmäßig besuchen, was bei einer Entfernung von 200 km nicht der Fall ist. Auch wäre ihm bei seinem Gesundheitszustand ein Transport über eine Entfernung von 200 km nicht zuzumuten. Außerdem wäre ihm diese Rehabilitationseinrichtung "Waldesruh" von Bekannten als "besonders gut" empfohlen worden.

In der Nähe der Rehabilitationseinrichtung "Waldesruh" gibt es noch eine andere geeignete neurologische Rehabilitationseinrichtung – das Neurologische Rehabilitationszentrum "Obertal". Es liegt auch in der Nähe der Wohnung der Tochter, sodass diese den Rehabilitanden regelmäßig auch hier besuchen kann.

Alle 3 Rehabilitationseinrichtungen sind aus medizinischer Sicht für die neurologische Rehabilitation des Erkrankten geeignet und haben eine vergleichbare Qualität. Mit allen 3 Rehabilitationseinrichtungen hat der Rehabilitationsträger inhaltlich fast gleiche Versorgungsverträge nach § 38 SGB IX.

Dem Rehabilitationsträger würden für einen voraussichtlich 5-wöchigen Aufenthalt folgende Kosten (incl. Transportkosten) entstehen

  • in der Rehabilitationseinrichtung "Sonnenpark" 10.500,00 EUR,
  • in der vom Rehabilitanden gewählten Rehabilitationseinrichtung "Waldesruh" 11.650,00 EUR,
  • in dem Neurologischen Rehabilitationszentrum "Obertal" 11.350,00 EUR.

Fazit:

Der Wunsch bezüglich eines kürzeren Transportweges und der Ermöglichung des regelmäßigen Besuchs der Tochter ist für den Rehabilitanden ein "berechtigter" Wunsch, weil

  • ein Transport über 200 km bei dem Gesundheitszustand nicht mehr zumutbar ist (= nicht mehr angemessen) und
  • dem verwitweten Rehabilitanden der regelmäßige Besuch der Tochter aus sozialer Sicht sehr wichtig ist, was bei seinem Gesundheitszustand (ausgeprägte Halbseitenlähmung) gut nachvollziehbar ist.

Letztendlich stehen noch 2 geeignete Rehabilita...

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