Rz. 8

Wegen der unter Rz. 7a aufgeführten Kritikpunkte wurde das Modell der ICIDH weiterentwickelt und durch einen überarbeiteten ICIDH, den sog. ICIDH-2, ersetzt. Letztendlich handelte es sich jedoch bei dem ICIDH-2 nur um Arbeitsentwürfe, die von der WHO 2001 unter dem Namen ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health bzw. Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung) bekannt und veröffentlicht wurden.

Die deutsche Version der ICF wurde im Jahr 2005 verabschiedet (www.dimdi.de). Weitere Informationen zur Auslegung des ICF (innerhalb des deutschen Raumes) wurden in dem unter Federführung der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) erarbeiteten "ICF-Leitfaden – Trägerübergreifender Leitfaden für die Anwendung der ICF (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit beim Zugang zur Rehabilitation)" auf der Internetseite der BAR unter http://www.bar-frankfurt.de veröffentlicht.

Im Verhältnis zur ICIDH orientiert sich die ICF nicht mehr an dem Ausmaß der Schädigungen, sondern an dem Leitbild eines "gesunden" Menschen. Eine Person ist funktional gesund, wenn vor ihrem gesamten Lebenshintergrund (Kontextfaktoren)

  1. ihre körperlichen Funktionen (einschließlich des mentalen Bereichs) und Körperstrukturen allgemein anerkannten Normen entsprechen (Konzepte der Körperfunktionen und -strukturen),
  2. sie nach Art und Umfang das tut oder tun kann, wie es von einem Menschen ohne Gesundheitsproblem erwartet wird (Konzept der Aktivitäten),
  3. sie ihr Dasein in allen Lebensbereichen, die ihr wichtig sind, in der Art und dem Umfang entfalten kann, wie es von einem Menschen ohne Schädigungen der Körperfunktionen/-strukturen und Aktivitätseinschränkungen erwartet wird.

Die ICF versteht die Funktionsfähigkeit als eine Wechselbeziehung zwischen dem gesundheitlichen Zustand einer Person und ihren Kontextfaktoren. Zu den Kontextfaktoren zählen person-bezogene Merkmale (auf den Betroffenen bezogen) und Umweltfaktoren (den Gesundungsprozess unterstützende oder hemmende Faktoren durch die Mit- und Umwelt).

Während die ICD 10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems bzw. Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) Krankheiten (Diagnosen) klassifiziert, erfasst die ICF den individuellen gesundheitlichen Zustand des Betroffenen (Ausprägung auf die Aktivitäten, auf die Partizipation und auf die Teilhabe) und Katalogisierung die Teilhabebeeinträchtigungen.

Da das Bild der Krankheitsfolgen (Behinderung) viele Facetten hat, ist es notwendig, die einzelnen Dimensionen gezielt zu erfassen, um den Rehabilitationsprozess gestalten zu können. Die ICF beschreibt den Zustand eines Menschen in standarisierter Form in seiner Lebensgesamtheit (auch z. B. soziale Aspekte) und entwickelt darauf Behandlungs-/Rehabilitationsziele, -verläufe und einen Weiterentwicklungsbedarf in einer allgemein verbindlichen Sprache mit dem Ziel der Wiedereingliederung bzw. Verbesserung der Teilhabe.

Ziel der ICF ist, dass jeder anhand der Codierung der Behinderung die Schwere der Behinderung erkennen kann. Denn nur dann ist es aufgrund einer allgemein Verschlüsselung möglich, den Teilhabebedarf etc. und den Rehabilitationserfolg zu messen. Die Codierung ist jeweils nur dann vollständig, wenn sie mit einem sog. Beurteilungsmerkmal versehen ist, welches die Ausprägung der Beeinträchtigung definiert. Das Beurteilungsmerkmal Null steht für volle Funktionsfähigkeit und 4 für eine vollständige Beeinträchtigung. Die restlichen Ziffern 1, 2 und 3 geben die dazwischen liegenden Schwerestufen an. Das Beurteilungsmerkmal wird hinter dem Punkt am Ende eines Codes gesetzt. So steht der Code "b130" z. B. für die Funktion der psychischen Energie und des Antriebes. Für den Fall, dass das Beurteilungsmerkmal "b130.3" codiert wurde, ist das "Problem erheblich ausgeprägt".

Zu beachten ist aber, dass sich die Codierung in der Praxis noch nicht so recht durchgesetzt hat. Das hängt damit zusammen, dass es mehr als 1.400 Codes gibt. Allerdings hilft man sich in der Praxis, indem man – ohne die Codes zu verwenden – den "Zustand" in Gutachten, Berichten etc. mit Worten umschreibt. Ein aus Sicht des Autors gelungenes Beispiel für die Möglichkeit der Erkennung einer Behinderung ist ein vom behandelnden Arzt ausgefüllter Vordruck Muster 61 – ein Vordruck, der im Rahmen des Beziehungsgeflechts zwischen Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen zur Beschreibung der Rehabilitationsbedürftigkeit benutzt wird. Hier kann der Arzt ankreuzen, bei welchen Funktionen/Lebensbereichen er den Grad der Einschränkungen in welchem Umfang beurteilt (Fundstelle: vgl. Rz. 22).

Auch Entlassungsberichte und sonstige medizinische Unterlagen, in denen der Arzt das Ausmaß einer Behinderung beschreibt, können Anhaltspunkte zur Feststellung einer Behinderung sein.

 
Praxis-Beispiel

Verwitwete Patientin … Schmerzen insbesondere bei der Beugung im recht...

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