Mit dem Bundesteilhabegesetz werden Empfehlungen aus den "Abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands" aufgegriffen und die Behindertenpolitik in Deutschland in Einklang mit der UN-BRK weiterentwickelt. Gleichzeitig wurden Vorgaben des Koalitionsvertrages für die 18. Legislaturperiode umgesetzt, die u. a. vorsehen, die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu verbessern und die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Darüber hinaus ist mit diesem Gesetz das Schwerbehindertenrecht weiterentwickelt worden.

Schwerpunkt des Gesetzes ist die Neuordnung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX). Das SGB IX hat nunmehr die folgende Struktur:

  • In Teil 1 ist das für alle Rehabilitationsträger geltende Rehabilitations- und Teilhaberecht zusammengefasst. Dieses allgemeine Recht wird durch zum Teil abweichungsfest ausgestaltete Regelungen im Sinne von Artikel 84 Absatz 1 Satz 6 des Grundgesetzes innerhalb des SGB IX gestärkt.
  • In Teil 2 ist die aus dem SGB XII herausgelöste und reformierte Eingliederungshilfe als "Besondere Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen" geregelt. Das SGB IX ist insoweit zu einem Leistungsgesetz aufgewertet worden.
  • In Teil 3 steht nun das weiterentwickelte Schwerbehindertenrecht, das bis dahin in Teil 2 geregelt war.

Neuer Behinderungsbegriff

Mit § 2 Absatz 1 SGB IX ist zum 1. Januar 2018 ein neuer Behinderungsbegriff eingeführt worden. Behinderung ist dabei als Wechselwirkung zwischen Beeinträchtigung und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren zu verstehen. Demnach gilt als Behinderung nicht mehr in erster Linie das "Defizit", die "Normabweichung" in den Körperfunktionen und –strukturen eines Menschen. Die Abweichung von der Norm ist nun nur ein Element der nach dem sogenannten "bio-psycho-sozialen Modell" der International Classification of Functioning and Health (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu ermittelnden Teilhabeeinschränkungen. Mit dem neuen Behinderungsbegriff im SGB IX und dessen Orientierung an den allgemeinen Grundsätzen und Bestimmungen der UN-BRK wird eine funktionale Beeinträchtigung im Zusammenhang mit Kontextfaktoren wie dem Einfluss des gesellschaftlichen Umfelds sowie mit den Interessen und Wünschen des betreffenden Menschen betrachtet.

Modellvorhaben zur Rehabilitation

Das Bundesteilhabegesetz verpflichtet die Träger von Rehabilitationsmaßnahmen, wie z. B. die Bundesagentur für Arbeit oder die gesetzliche Rentenversicherung, drohende Behinderungen frühzeitig zu erkennen und gezieltes Handeln noch vor Eintritt der Rehabilitation zu ermöglichen, um Zugänge in die Eingliederungshilfe, insbesondere aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende oder der gesetzlichen Rentenversicherung zu vermeiden. Ziel ist es, bereits vor Eintritt einer chronischen Erkrankung oder Behinderung durch geeignete präventive Maßnahmen entgegenzuwirken und die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Zur Unterstützung dieser gesetzlichen Pflicht fördert der Bund ab dem Jahre 2018 auf fünf Jahre befristete Modellvorhaben mit den Jobcentern und der gesetzlichen Rentenversicherung. Ziel der Modellvorhaben ist die Entwicklung innovativer Maßnahmen und neuer Kooperationsformen zwischen den Rehabilitationsträgern, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten und damit den Verbleib der Betroffenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu sichern

Teilhabeplanverfahren

Um Leistungen "wie aus einer Hand" gewähren zu können und Nachteile des gegliederten Systems der Rehabilitation für Menschen mit Behinderungen abzubauen, wird ab 2018 für alle Rehabilitationsträger ein verbindliches, partizipatives Teilhabeplanverfahren vorgeschrieben. Das beinhaltet auch Regelungen zur Zuständigkeitsklärung, Bedarfsermittlung, zum Teilhabeplanverfahren und zu den Erstattungsverfahren zwischen den Rehabilitationsträgern.

Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung

Das Teilhabeplanverfahren wird durch ein vom Bund gefördertes, von Trägern und Leistungserbringern unabhängiges Netzwerk von Beratungsstellen flankiert. Dort werden Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige insbesondere durch Menschen mit Behinderungen beraten (sog "Peer-Counseling"). Das niedrigschwellige Beratungsangebot im Vorfeld der Beantragung konkreter Leistungen orientiert sich an den Lebenslagen der Menschen mit Behinderungen. Die ergänzende sowie kostenfreie unabhängige Beratung besteht neben dem gesetzlichen Anspruch auf Beratung durch die Rehabilitationsträger und ergänzt bereits bestehende Angebote und Strukturen. Sie soll neutral, überparteiisch und nur dem Betroffenen gegenüber verpflichtet sein.

Mehr Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsleben

Mit dem Bundesteilhabegesetz sind für Menschen mit Behinderungen, die wegen Art oder Schwere ihrer Behinderungen nicht in der Lage sind, am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt teilzuhaben und zur beruflichen Bildun...

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