Rz. 336

Eine Verdachtskündigung gründet sich auf einen dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonst schwerwiegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten (vgl. BAG, Urteil v. 2.3.2017, 2 AZR 698/15). Es kommt darauf an, dass auf objektive Tatsachen beruhende erhebliche Verdachtsgründe vorhanden sind, die sich an sich dazu eignen, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen zu zerstören (BAG, Urteil v. 18.6.2015, 2 AZR 256/15). Auf eine strafrechtliche Bewertung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die generelle Vermutung der Unschuld des Arbeitnehmers steht einer Verdachtskündigung nicht entgegen. Arbeitsgerichte sind an einen Freispruch im Strafverfahren, selbst wenn dieser rechtskräftig ist, nicht gebunden, wenn sie über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung entscheiden. Alle relevanten Umstände sind eigenständig zu würdigen. Dazu kann die Prüfung gehören, ob im Strafurteil Tatsachen festgestellt worden sind, die den Verdacht abzuschwächen geeignet sind. Das Arbeitsrecht kennt auch die ordentliche Verdachtskündigung bei Verdacht einer Pflichtverletzung als eigenständigen Kündigungsgrund. Der Verdacht kann eine ordentliche Kündigung aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers rechtfertigen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Der durch den Verdacht bewirkte Verlust der vertragsnotwendigen Vertrauenswürdigkeit (dringender Verdacht auf Betanken dritter Fahrzeuge mit der Tankkarte des Arbeitgebers) kann einen Eignungsmangel begründen (BAG, Urteil v. 31.1.2019, 2 AZR 426/18). Die Einsichtnahme von nicht als privat gekennzeichneten Dateien auf dem Dienstrechner des Arbeitnehmers bedürfen demnach nicht zwingend einen durch Tatsachen begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung. Eine Verdachtskündigung ist auch möglich, wenn sie einen GmbH-Geschäftsführer betrifft oder wenn im Arbeitsvertrag die Anwendung beamtenrechtlicher Grundsätze vereinbart worden ist. Ebenso können ein Betriebsratsmitglied oder ein Auszubildender von der Verdachtskündigung betroffen sein.

 

Rz. 337

Typisch für den Verdacht ist, dass dieser nicht einer für den Arbeitgeber erwiesenen Pflichtverletzung entspricht. Die Handlung bzw. der Verstoß stellt dann den wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar. Der Verdacht muss auf objektiven Tatsachen beruhen und einen engen Bezug zum Arbeitsverhältnis und der Vertrauensbeziehung haben. Diese Tatsachen müssen dazu geeignet sein, das zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer aufgebaute Vertrauensverhältnis irreparabel zu zerstören, das ist von vornherein nicht bei einem außerdienstlichen Fehlverhalten der Fall. Äußert der Arbeitgeber gesicherte Kenntnis über das pflichtwidrige Verhalten des Arbeitnehmers und kündigt deshalb, liegt keine Verdachtskündigung vor, die Kündigung stützt sich gerade nicht auf den Verdacht. Dann unterliegt der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren dem Risiko, dass er mangels Beweis für die Pflichtverletzung unterliegt.

 

Rz. 338

Als objektive Tatsachen, die eine Verdachtskündigung begründen, können alle Tatsachen herangezogen werden, die vor dem Ausspruch der Kündigung vorgelegen haben und einen dringenden Tatverdacht begründen können. Entscheidend für die Verdachtskündigung ist, dass gerade der Verdacht die vertrauenszerstörende Grundlage für die Kündigung im Zeitpunkt ihres Ausspruches ist. Darauf und nicht auf sichere Erkenntnis eines Pflichtverstoßes muss sich der Arbeitgeber in der Verdachtskündigung berufen. Im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Verdachtskündigung können auch nach dem Kündigungszeitpunkt bekannt gewordene Tatsachen berücksichtigt werden, wenn sie zum Kündigungszeitpunkt objektiv vorlagen, gleich, ob sie den ursprünglichen Verdacht verstärken oder abschwächen. Das gilt selbst für solche Tatsachen, die den Verdacht eines neuen und eigenständigen Kündigungsvorwurfes begründen.

 

Rz. 339

Die Verdachtskündigung bedingt insbesondere einen dringenden Verdacht. Das setzt voraus, dass die Pflichtverletzung vom Arbeitnehmer mit großer Wahrscheinlichkeit tatsächlich begangen wurde und keine alternative Lösung ersichtlich ist, die eine außerordentliche Kündigung nicht rechtfertigen könnte. Bloße Vermutungen reichen für eine Verdachtskündigung nicht aus. Für die Verdachtskündigung ist aber kennzeichnend, dass das wahre Geschehen noch verborgen ist und dieses durch den betroffenen Arbeitnehmer auch weiterhin verborgen gehalten wird. Für die Zerstörung des unabdingbaren Vertrauensverhältnisses sind objektive Maßstäbe relevant, nicht allein das subjektive Empfinden des Arbeitgebers. Dieser darf auch nicht von den Tatsachen Kenntnis nehmen und die Kündigung aussprechen, vielmehr ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, nach Möglichkeit den Sachverhalt aufzuklären. Dazu gehört jedenfalls zwingend auch eine Anhörung des Arbeitnehmers. Es genügt jedenfalls nicht, allein auf Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden hinzuweisen. Insbesondere begründet ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft noch keinen dringenden V...

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