Rz. 262c

Den Arbeitgeber trifft zunächst die Pflicht einer vertragsgemäßen Beschäftigung des Arbeitnehmers. Muss der Arbeitnehmer diese einklagen, werden damit auch die vereinbarten Entgeltansprüche i. S. der ersten Stufe einer Ausschlussfrist geltend gemacht (BAG, Urteil v. 18.9.2019, 5 AZR 240/18).

Verletzt der Arbeitgeber seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kann daraus für den Arbeitnehmer die sperrzeitunschädliche Berechtigung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung resultieren, ggf. nach Abmahnung.

 

Rz. 263

Das deutsche Arbeitszeitgesetz sieht aktuell nur die Pflicht des Arbeitgebers vor, die über die Regelarbeitszeit von 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen. Demgegenüber hat der EuGH entschieden, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System einzurichten, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann (EuGH, Urteil v. 14.5.2019, C-55/18). Ob das Arbeitszeitgesetz entsprechend auszulegen ist oder ein gesetzlicher Anpassungsbedarf besteht, wird derzeit geprüft. Arbeitgeber können aber bereits jetzt in Gerichtsverfahren in die Pflicht genommen werden.

 

Rz. 263a

Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers entspricht den Nebenpflichten (der früheren Treuepflicht) des Arbeitnehmers. Die Fürsorgepflicht ist ein besonderer Ausfluss aus dem Direktionsrecht des Arbeitgebers und dem Umstand, dass der Arbeitnehmer in den Betrieb des Arbeitgebers, also in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert ist. In der Literatur wird der modernere Begriff der Schutzpflicht des Arbeitgebers verwendet. Die Pflicht gebietet ein Tun oder Unterlassen wie das auch bei den Nebenpflichten des Arbeitnehmers der Fall ist. Im Streitfall muss auf die konkrete Interessenlage abgestellt werden. Im Rahmen seiner Schutzpflicht hat der Arbeitgeber seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis unter Berücksichtigung der Belange des Betriebes, der Interessen auch der anderen Arbeitnehmer billigerweise nach Treu und Glauben zu erfüllen, so auch seine Rechte entsprechend auszuüben und die Interessen des Arbeitnehmers zu wahren (BAG, Urteil v. 15.11.2005, 9 AZR 209/05, vgl. auch § 241 Abs. 2 BGB). Die Schutzpflicht des Arbeitgebers kann nicht durch Vertrag oder Abrede ausgeschlossen oder ersetzt werden. Sittenwidrige Vereinbarungen sind unwirksam. Einzelne Aspekte im rechtlich zulässigen Rahmen sind allerdings abdingbar. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, kraft betrieblicher Übung Raucherpausen zu bezahlen. Das gilt auch, wenn er über lange Zeit die Raucherpausen zeitlich nicht erfasst und deshalb keinen Lohnabzug vorgenommen hat (LAG Nürnberg, Urteil v. 21.7.2015, 7 Sa 131/15).

 

Rz. 263b

Ein Anspruch eines Arbeitnehmers auf Verlängerung seiner Arbeitszeit geht gemäß § 275 Abs. 1 BGB unter, wenn der Arbeitgeber nach entsprechender Anzeige durch den Arbeitnehmer diesen trotz dessen Eignung nicht bei der Besetzung eines entsprechenden Arbeitsplatzes berücksichtigt, sobald die Besetzung stattfindet. Der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers geht jedoch nicht so weit, dass der Arbeitgeber zur Vereinbarung einer verlängerten Arbeitszeit verpflichtet wird (vgl. § 15 Abs. 6 AGG; BAG, Urteil v.18.7.2017, 9 AZR 259/16).

 

Rz. 264

Gesetzliche Schutzpflichten des Arbeitgebers zielen auf eine Fortzahlung der Vergütung, z. B. bei persönlicher Arbeitsverhinderung oder Erkrankung des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer kann bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses am 1. Juli für das laufende Kalenderjahr keinen Vollurlaubsanspruch nach § 4 BUrlG erwerben (BAG, Urteil v. 17.11.2015, 9 AZR 179/15). Scheidet ein Arbeitnehmer nach erfüllter Wartezeit in der 2. Hälfte des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis aus, hat er für dieses Jahr Anspruch auf Vollurlaub (BAG, Urteil v. 20.10.2015, 9 AZR 224/14). Das folgt aus einem Umkehrschluss aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG. Haben die Arbeitsvertragsparteien vor der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses vereinbart und tritt nur eine kurzfristige Unterbrechung ein, sind beide Arbeitsverhältnisse urlaubsrechtlich als eine Einheit zu betrachten. Modifikationen der Arbeitszeit wirken auch auf den Urlaubsanspruch. Ändert sich die Anzahl der Arbeitstage, sind die verbleibenden Urlaubstage anteilig aus dem Quotienten zwischen neuem und altem Arbeitszeitvolumen zu berechnen; maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem der Urlaub gewährt wird. Für Urlaubsabgeltungsansprüche ist ein Urlaubsanspruch von weniger als einem halben Tag weder auf- noch abzurunden, es bleibt bei dem Anspruch auf einen bruchteiligen Urlaubstag (BAG, Urteil v. 23.1.2018, 9 AZR 200/17). Im Falle einer arbeitgeberseitigen Kündigung beginnt die Ausschlussfrist für den Urlaubsabgeltungsanspruch mit Ablauf der Kündigungsfrist, ein folgendes Kündigungsschutzverfahren ohne Änderung des Beendigungstermins des Arbeitsverhältnisses hat auf die Frist keinen Einfluss (BAG, Urteil v. 17.10.2017, 9 AZR 80/17).

Der Anspruch...

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