Rz. 7

§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX regelt den Grundsatz, dass Menschen mit Behinderungen in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden. Mit der Regelung des Abs. 2 werden Ausnahmen für die Förderung der Berufsausbildung (§§ 56 ff.) und der beruflichen Weiterbildung (§§ 81 ff.) im Rahmen von allgemeinen Leistungen vorgenommen, um den spezifischen Anforderungen von Menschen mit Behinderungen gerecht zu werden. Demzufolge kann eine Förderung auch dann erfolgen, von den üblichen Ausbildungsordnungen der staatlichen Ausbildungsberufe abgewichen oder als Sonderform realisiert werden (zur Abgrenzung bzw. Förderung der beruflichen Aus- oder Weiterbildung vgl. BSG, Urteil v. 27.1.2005, B 7a/7 AL 20/04 R).

 

Rz. 8

Betroffen sind behindertengerechte Aus- und Weiterbildung in einem regulären staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, die im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes (BBiG – vgl. §§ 4, 5 Abs. 2 ff. BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO – vgl. §§ 25, 26 Abs. 2 ff. HwO) durchgeführt werden. Sollte bei diesen Ausbildungen eine Abweichung von den Ausbildungsordnungen, z. B. ist hinsichtlich der theoretischen und berufspraktischen Inhalte erfolgen, kann die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der §§ 56 ff., 81 ff. dennoch fördern, wenn diese Aus- oder Weiterbildungen behinderungsbedingt nicht anders absolviert werden können. Stärker im Fokus steht dann auch regelmäßig die Prüfungsvorbereitung. Berufliche (Einzel-) Umschulungen sind hiervon ebenfalls erfasst.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung v. 12.12.2019 (BGBl. I S. 2522), in Kraft ab 1.1.2020, wurden die Voraussetzungen für den Zugang zu einer Teilzeitberufsausbildung erleichtert, um einen größeren Personenkreis damit zu erreichen. Mit der Neuregelung wird die bisherige Notwendigkeit eines berechtigten Interesses gestrichen. Die Zugangsvoraussetzungen in § 7a BBiG und § 27b Abs. 1 Satz 2 HwO sind nun als Kann-Regelung ausgestaltet. Dennoch müssen weiterhin nachvollziehbare Gründe im Einzelfall vorliegen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/10815 S. 56 f.) kommt diese alternative Durchführungsform nun u. a. auch für Personen mit Lernbeeinträchtigung in Betracht, um mit einer Teilzeitberufsausbildung den Einstieg und Übergang in eine Vollzeitberufsausbildung zu ermöglichen.

Die Agentur für Arbeit hat bei der Förderung einer Teilzeitberufsausbildung im Rahmen der allgemeinen Leistungen daher auch zu prüfen, ob eine dauerhafte Teilhabe am Arbeitsleben mit der Teilzeitvariante besser als in Vollzeit erreicht werden kann. Dabei ist mit Blick auf die längere Ausbildungsdauer auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu würdigen.

 

Rz. 9

Die genannten Sonderformen erfassen spezifische Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderungen gemäß § 66 BBiG und § 42r HwO, die zur Ausbildung insbesondere in speziellen Rehabilitationseinrichtungen (u. a. Berufsbildungswerke) oder in Betrieben selbst durchgeführt werden. Für Menschen mit Behinderungen, die keinen anerkannten Ausbildungsberuf nach der üblichen Ausbildungsordnung erlernen können, entwickeln die zuständigen Stellen (insbesondere Industrie- und Handelskammern und Handwerkskammern) daher Ausbildungsregelungen aus anerkannten Ausbildungsberufen.

 

Rz. 10

Zur Abgrenzung von Ausbildung (vgl. § 57) baut Weiterbildung auf vorhandenen Wissen auf und umfasst im SGB III die berufliche Fortbildung und die berufliche Umschulung. Dies ändert sich auch nicht, wenn in einem anerkannten Ausbildungsberuf eine Umschulung als Weiterbildung absolviert wird. Für die berufliche (Anpassungs- und Aufstiegs-) Fortbildung und die berufliche Umschulung von Menschen mit Behinderungen gelten gemäß § 67 BBiG ohnehin die speziellen Regelungen nach §§ 64 bis 66 BBiG entsprechend, soweit es Art und Schwere der Behinderung erfordern.

 

Rz. 11

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat den gesetzlichen Auftrag, das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe zu führen und zu veröffentlichen (vgl. BBiG § 90 Abs. 3 Satz 3). Das Verzeichnis beinhaltet die vielzähligen Ausbildungsregelungen bei Behinderung. Diese Sonderformen bedürfen eines Antrages des Menschen mit Behinderungen oder ihres gesetzlichen Vertreters, wenn eine Ausbildungsmöglichkeit, d. h. eine Ausbildungszusage eines Arbeitgebers, vorliegt. Die zuständigen Kammern prüfen im Rahmen des Antrages zudem, ob durch Arbeitshilfen, ausbildungsbegleitende Maßnahmen, etc. auf eine Sonderform verzichtet werden kann. Der Antrag kann durch die Bundesagentur für Arbeit als zuständige Stelle bestätigt werden, wenn dies im Einzelfall wegen Art und Schwere der Behinderung erforderlich ist.

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