Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung eines Straßenbahnfahrers bei menschenverachtender Schmähung und Geringschätzung türkischer Mitbürgerinnen und Mitbürger auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite

 

Leitsatz (amtlich)

Veröffentlicht ein Arbeitnehmer auf einer rechtsradikalen Facebook-Seite unter seinem Namen und in Straßenbahnuniform ein Foto mit einer meckernden Ziege mit der Sprechblase "Achmed, ich bin schwanger", so kann dies eine fristlose Kündigung der im Eigentum einer Stadt stehenden Straßenbahngesellschaft rechtfertigen.

 

Normenkette

GG Art. 5 Abs. 1 S. 1; BGB § 241 Abs. 2, §§ 611a, 626 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Zwickau (Entscheidung vom 02.08.2017; Aktenzeichen 4 Ca 18/17 P)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 2. August 2017 - 4 Ca 18/17 P - wird auf Kosten des Klägers

zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Der am ...1968 geborene Kläger war seit dem 1. September 1992 bei der Beklagten, ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der Stadt ..., zunächst als Straßenbahnfahrer und seit dem 1. September 2009 als Gleisbauarbeiter zu einem zuletzt bezogenen Entgelt in Höhe von 2.484,50 € brutto bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden beschäftigt.

Der Kläger betrieb unter seinem Namen einen Facebook-Account, in dem er seinen Beruf als Straßenbahnfahrer, die Beklagte als seinen Arbeitgeber sowie ein Bild von sich in Dienstkleidung veröffentlichte. Am 17. Dezember 2017 kommentierte der Kläger gleichfalls unter seinem Namen neben seinem Bild in Uniform als Straßenbahnfahrer auf der Facebook-Seite der "Unzensierte Nachrichten ...", die im Impressum die Bürgersprechstunde der Partei "Der III. Weg" mitteilt sowie den Vorsitzenden dieser Partei als Verantwortlichen der Facebook-Seite angibt, die Berichterstattung über eine Gegendemonstration zu einem Aufmarsch der Partei "Der III. Weg" mit einem sich übergebenden EMOJI und einem vereinfachten Wahlzettel, auf dem sich als Alternative ein sog. Stinkefinger und die sog. Merkelraute befanden. Auf derselben Facebook-Seite veröffentlichte der Kläger später wiederum unter seinem Namen nebst seinem Bild in Straßenbahndienstkleidung das Bild einer meckernden Ziege mit einer Sprechblase mit den Worten "Achmed, ich bin schwanger" (Bl. 18/19 d. A.). Die ... e. V. informierte die Beklagte darüber am 20. Dezember 2016. Die ...er Tageszeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 20. Dezember 2016 unter der Überschrift "Straßenbahnfahrer ein Rassist?" über die Veröffentlichungen des Klägers (Anlage B 3, Bl. 20 d. A.). Die Verfassungsschutzberichte Bund 2014 und 2015 schätzen die Partei "Der III. Weg" als eine rechtsextremistische und gewaltorientierte Partei ein (Verfassungsschutzbericht Bund 2015, S. 43 f.). Die ideologischen Aussagen der Partei seien geprägt vom historischen Nationalsozialismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. In ihrem "Zehn-Punkte-Programm" propagiere die Partei "Der III. Weg" u. a. die Schaffung eines "deutschen Sozialismus" sowie die Entwicklung und Erhaltung der "biologischen Substanz des Volkes". Die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüber dem demokratischen Rechtsstaat komme in ihrer politischen Agitation deutlich zum Ausdruck, insbesondere bei der mit einer aggressiven Rhetorik vorgetragenen Instrumentalisierung der Themen Asyl und Zuwanderung (Verfassungsschutzbericht Bund 2014, S. 171 und Verfassungsschutzbericht 2015, S. 87).

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung an. In seiner Stellungnahme ebenfalls vom 21. Dezember 2016 stimmte der Betriebsrat sowohl der fristlosen als auch der hilfsweisen ordentlichen Kündigung zu (Bl. 50 f. d. A.). Mit Schreiben vom 28. Dezember 2016 (Bl. 6 d. A.), dem Kläger am 29. Dezember 2016 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. Juni 2017.

Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, die beiden Posts, mit denen er eine Gegendemonstration zum Aufmarsch der Partei der "Der III. Weg" kommentiert und eine schwangere Ziege mit Sprechblase abgebildet habe, begründeten keine Kündigung. Die seien vielmehr von seinem Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt. Im Übrigen müsse berücksichtigt werden, dass er nicht Mitglied der Partei "Der III. Weg" sei und er seinen Facebook-Account bereits - unstreitig - am 22. Dezember 2016 gelöscht habe. Bei dem Bild mit der schwangeren Ziege und der Sprechblase handele es sich schlichtweg um eine satirisch verbrämte Anspielung auf das Gedicht von Jan Böhmermann. Verfassungsfeindliche oder gar volksverhetzende Tendenzen bestünden nicht. Eine Volksverhetzung scheitere schon daran, dass der Name Achmed keiner bestimmten Bevölkerungsgruppe zuzuordnen sei. Sch...

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