Entscheidungsstichwort (Thema)

Schuldhafte Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis. Haftung des Arbeitgebers für Pflichtverletzungen des Erfüllungsgehilfen. Minderung des Schadensersatzes durch mitwirkendes Verschulden. Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung nach dem Grad des Verschuldens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Obliegt einem Finanzdirektor/einer Finanzdirektorin aus dem Arbeitsvertrag die Verantwortung für die Finanzbuchhaltung mehrerer Gesellschaften, die Führung der lokalen Controller und die Gewährleistung der genauen Verwaltung der Geldbestände, so darf die Veranlassung der Überweisung von Geldbeständen nur veranlasst werden, wenn dies im geschäftlichen Interesse der betreuten Gesellschaft(en) liegt. Verstößt der Finanzdirektor/die Finanzdirektorin gegen diese Pflicht, liegt bei mindestens gegebener Fahrlässigkeit schuldhaftes Verhalten i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB vor.

2. Ist durch eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung einem Dritten kausal ein Schaden entstanden, ist der Schädiger zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Dabei haftet der Arbeitgeber seinen Vertragspartnern gem. § 278 Satz 1 BGB für schuldhaft begangene Rechtsverletzungen, die für ihn als Erfüllungsgehilfen eingesetzte Mitarbeiter/-innen begehen.

3. Soweit ein Schaden in der Belastung mit einer Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten besteht, richtet sich der Anspruch auf Schadensersatz nach § 249 Abs. 1 BGB auf Schuldbefreiung. Dabei sind die Grundsätze des § 254 Abs. 1 BGB zu prüfen, d.h. inwieweit ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten zu einer Minderung des Schadensersatzes führt.

4. Weiterhin sind bei schuldhafter schädigender Handlung im Arbeitsverhältnis die Grundsätze über die Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung durch entsprechende Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB zu beachten. Es muss sich um eine betrieblich veranlasste Tätigkeit handeln, die arbeitsvertraglich übertragen worden ist oder die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers ausführt. Bei der möglichen Entlastung aus dem Grundsatz der Beschränkung der Arbeitnehmerhaftung ist im Wesentlichen eine Haftungsminderung nach dem Grad des Verschuldens vorzunehmen, d.h. es ist die Bandbreite von leichter Fahrlässigkeit bis hin zur vorsätzlichen Handlung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu bewerten.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 249 Abs. 1, § 254 Abs. 1, §§ 276, 280 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Chemnitz (Entscheidung vom 04.10.2016; Aktenzeichen 13 Ca 895/16)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 04.10.2016 - 13 Ca 895/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin vom Schadenersatzanspruch der ...GmbH in Höhe von 150.000,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.03.2017 freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 64 % und die Beklagte 36 % zu tragen.

3. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von Schadenersatzansprüchen freizustellen.

Die Klägerin ist eine Managementgesellschaft und Teil eines Konzerns, an dessen Spitze die ... (SA...) mit Sitz in Saudi Arabien steht. Vorstand (CE...) der SA... ist Herr .... Die SA... hält 100 % der Gesellschaftsanteile an der ...Holding, welche ihrerseits 100 % an der ...Holding Ltd. hält. Letztgenannte ist zu 89,29 % an der ... AG beteiligt. 100 %ige Tochtergesellschaften der ...AG sind u.a. die Klägerin, die ...Germany GmbH, die ...Spain, ...Norway und ... France. Zwischen der Klägerin und ... Germany GmbH besteht ein Dienstleistungsvertrag ("Service Agreement" in Anlage K 1 zur Klageschrift vom 03.05.2016; Bl. 60 ff. d. A.), nach dessen Inhalt die Klägerin u.a. für das Finanzmanagement für die Gruppe sowie für die Organisation und Sicherung des Geldbestandes aller Unternehmen zuständig ist.

Im Konzern der SA... sind für alle konzernangehörigen Gesellschaften in einer sogenannten "Approval Matrix" (englische Version in Anlage K 2 zur Klageschrift vom 03.05.2016; Bl. 72 ff. d. A, deutsche Übersetzung in Anlage K 3 Klageschrift vom 03.05.2016; Bl. 80 ff. d. A) Befugnisse, Genehmigungserfordernisse und Beitragsobergrenzen für Zahlungsanweisungen festgelegt. Für den Bereich "Finanzen" ist darin bestimmt, dass sowohl für "Vorschüsse/Vorauszahlungen (alle vertraglichen Vorschüsse)" als auch für "Schadenersatz, Garantien, Leistungsbürgschaft erteilen" bei Beträgen größer als 100.00,00 € und kleiner als 1.000.000,00 € jeweils zwei Unterschriften erforderlich sind, eine vom "Director Europe" und eine vom "Finance Manager Europe".

Unter dem 13.03.2013 schloss die SA... einen Vertrag betreffend eine "Directors & Officers Liability Insurance (Anlage KB 1 zur Berufungsbegründung vom 15.12.2016; Bl. 433 d. A.). Auch die ... Germany GmbH ist Versicherung...

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