Bei der Vergütung ging der klare Trend die letzten 25 Jahre hin zu individuellen Zielvereinbarungen (MbO), die sich möglichst kaskadenförmig von den Unternehmenszielen ableiten lassen sollten. In vielen Trainings lernten Führungskräfte, wie sie smarte Ziele setzen. Nicht zu viele sollten es sein, damit der Fokus erhalten bleibt. Garniert wurde das System mit einem Mitarbeitergespräch, das einmal im Jahr stattfand (manchmal auch mit einem Zwischen-Review zur Jahresmitte) und eine Zielvereinbarung und eine Zielerreichungsüberprüfung beinhaltete. Die Ziele waren quantitativ (und damit leichter messbar) und/oder qualitativ ausgerichtet. Dazu gab es mehr oder weniger elaborierte Systeme zur Leistungsmessung. Sowohl die Zielerreichung als auch die Leistungsbeurteilung waren Grundlage für die Vergütung, die Unternehmen entweder als Bonus oder als variable Komponente bezahlten. Die Grundlogik hinter den Systemen war klar: Es gibt eine Person (Vorgesetzter), die eine andere Person (Mitarbeiter) hinsichtlich Zielerreichung und Leistung bewertet. Die so bewertete Person erhielt dann entsprechend viel Vergütung.

Dieses Vorgehen hat viele Jahre (mehr oder weniger) gut funktioniert und wurde selten hinterfragt. Vermutlich passt dieser Steuerungsmechanismus auch sehr gut zur tayloristischen Organisation mit klassischer funktionaler Arbeitsaufteilung. Nun lässt sich aber immer häufiger die Grenze dieses Vorgehens beobachten. Denn Kollaboration und Gemeinschaftssinn gedeihen nicht unbedingt, wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter für individuelle Leistungen oder Ziele belohnen. Zudem hemmt Geheimniskrämerei ebenfalls die Kollaboration. Doch sind wir schon bei der "Lösung" angekommen, wenn wir Ziele (wenn überhaupt) kollektiv auszurichten, Transparenz über Vergütung herstellen und möglichst das Team beim Thema Vergütung beteiligen?[1]

Reduzieren wir Vergütung auf das Wesentliche, geht es neben den drei oben aufgeworfenen Fragen des Wofür, Was und Wie um das zentrale Phänomen der sozialen Gerechtigkeit. Dabei spielen zwei Prinzipien eine wichtige Rolle: die Verteilungsgerechtigkeit und die Verfahrensgerechtigkeit.[2]

[1] Breuer, K. (2017), Repetitive Arbeit vs. Kreation und Innovation – Warum Bonussysteme aus dem Industriezeitalter nicht mehr funktionieren,

Rahn, M. / Aleweld, T. (2018), Vergütung in agilen Organisationen: Lassen Sie sich inspirieren! Warum klassische Vergütungsansätze an ihre Grenzen geraten und welche Alternativen es gibt.

[2] Folger, Robert: Distributive and procedural justice: Combined impact of ›voice‹ and improvement on experienced inequity. Journal of Personality and Social Psychology, 1977, 35, 108-119.

3.1 Verteilungsgerechtigkeit

Bei der Verteilungsgerechtigkeit vergleichen wir uns permanent mit anderen[1] und finden es dann gerecht oder eben nicht, ob die anderen mehr oder weniger arbeiten als wir oder mehr oder weniger Geld verdienen. Die Verteilungsgerechtigkeit gewinnt umso mehr an Bedeutung, je transparenter die Vergütung und je direkter der Vergleich ist. In einer idealen Welt würde die Vergütung mit der Leistung oder dem gewünschten Beitrag des Einzelnen so korrespondieren, dass alle die Unterschiede als gerecht wahrnehmen. Leider ist dies selten der Fall.

Es gibt aktuell verschiedene Faktoren, die zu einer ungleichen Verteilung der Vergütung führen. Zum einen sind Beschäftigte mit gleichen Qualifizierungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich selten auf dem Arbeitsmarkt und damit unterschiedlich teuer. Zum anderen hängt das Gehalt meist davon ab, wie gut jemand verhandeln kann. Wenn das allerdings transparent wird, empfinden das viele als ungerecht. Ein zentraler Einflussfaktor ist dabei auch, woran die Vergütung bemessen wird. Wenn es nicht mehr (nur) um Ziel und Zielerreichung, sondern um Sinn und Sinnerreichung geht, benötigen Unternehmen neue Methoden, dies zu bewerten oder zu messen. Ebenso komplex dürfte vermutlich sein, den Beitrag zur Kollaboration, zu einem gemeinsamen Ziel oder zur Wissensweitergabe zu ermitteln.

[1] Adams, J. Stacy: Inequity in Social Exchange. In L. Berkowitz (Hrsg.): Advances in Experimental Social Psychology, Vol. 2. Academic Press, New York 1965, S. 267-299.

3.2 Verfahrensgerechtigkeit

Daneben gibt es die Verfahrensgerechtigkeit. Sie bestimmt, ob wir das Verfahren als gerecht empfinden, das zu einer Verteilung führt.[1] Unternehmen im Umfeld von New Work versuchen dies durch Partizipation oder Transparenz zu erreichen. Vermutlich reicht dies jedoch nicht aus. Aus der Literatur wissen wir, dass ein Verfahren 6 Kriterien erfüllen sollte, damit es als gerecht erlebt wird:

  1. Regeln konsistent anwenden,
  2. bei Entscheidungen unvoreingenommen sein,
  3. fehlerhafte Entscheidungen korrigieren,
  4. relevante Informationen nutzen und fehlerhafte Vorannahmen vermeiden,
  5. ethische und moralische Standards erfüllen und
  6. die Interessen der Betroffenen einbeziehen.

Was heißt das aber für eine neue Form der Vergütung, für New Pay? Inwiefern die Beschäftigten Verteilungsgerechtigkeit und Verfahrensgerechtigkeit beurteilen können und als angemessen wah...

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