Rz. 29

Bei der Regelung von Kürzungsmöglichkeiten steht den Tarif- bzw. Betriebsparteien ein weitgehender Ermessensspielraum zu.[1] Sie können zwischen Arbeitern und Angestellten unterscheiden, z. B. wenn eine der Gruppen einen erheblich höheren Krankenstand aufweist. Hierbei ist allerdings Vorsicht geboten: Die Schlechterstellung der häufiger kranken Arbeitnehmer ist nur dann zu rechtfertigen, wenn er in der Sphäre der Arbeitnehmer und nicht in der Sphäre der Arbeitgeberin begründet liegt. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht ein anders lautendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben und zur näheren Aufklärung der Umstände aufgefordert. Solange nicht ausgeschlossen sei, dass der hohe Krankenstand der gewerblichen Arbeitnehmer auf gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen beruhe, für die der Arbeitgeber allein verantwortlich sei, sei es offensichtlich ungerechtfertigt, dass dieser ihnen wegen der aus diesen Risiken erwachsenden Schadensfolgen auch noch finanzielle Nachteile auferlegt.[2] Auch andere Kriterien können Eingang finden wie z. B. die Dauer der Betriebszugehörigkeit eines Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und die damit einhergehenden Krankheitsgefahren.[3] Dagegen ist eine Differenzierung, die Art. 3 GG bzw. § 75 BetrVG widerspräche, nicht wirksam.[4] Kürzungen je nachdem, welcher Nationalität ein Arbeitnehmer ist, welche Religion er ausübt oder welcher politischen Partei er angehört, sind deshalb außen vor.

[1] Vgl. allgemein zum Ermessensspielraum der Vertragspartner einer Kürzungsvereinbarung Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, Stand April 2020, § 4a EFZG, Rz. 12.
[2] BAG, Urteil v. 19.4.1995, 10 AZR 136/94, DB 1995 S. 1966; nachfolgend BVerfG, Beschluss vom 1.9.1997, 1 BvR1929/95, NZA 1997, 1339
[3] Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, Stand April 2020, § 4a EFZG, Rz. 13.
[4] Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, Stand April 2020, § 4a EFZG, Rz. 13.

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