Was verbietet das Wettbewerbsverbot?

In § 110 GewO wird von der Einschränkung der "beruflichen" Tätigkeit gesprochen, in § 74 HGB von der Einschränkung der "gewerblichen" Tätigkeit. Mit beiden Formulierungen ist allgemein die Verwertung der Arbeitskraft gemeint, sie ist nicht auf bestimmte Arten von Tätigkeiten beschränkt. Durch das nachvertragliche Wettbewerbsverbot vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden beim Arbeitgeber für eine bestimmte Zeit in einem bestimmten Umfang nicht tätig werden wird.

Damit gelten diese Vorschriften nicht nur für eine Wettbewerbstätigkeit, sondern allgemein dann, wenn dem Arbeitnehmer aus anderen Gründen untersagt wird, bei bestimmten Unternehmen tätig zu werden. Die sog. "Cooling-Off"-Vereinbarungen werden geschlossen, wenn der bisherige Arbeitgeber in einem kontrollierenden Verhältnis zu einem anderen Betrieb stand.

 
Praxis-Beispiel

Bisherige Prüffunktion

Der bisherige Arbeitgeber hat bestimmte Kontrollmaßnahmen bei anderen Unternehmen durchgeführt, wie etwa die Auditierung im Medizinproduktbereich oder als Wirtschaftsprüfer von Kapitalgesellschaften. In diesem Falle wird der bisherige Arbeitgeber dem Mitarbeiter untersagen, bei den geprüften Unternehmen entsprechend tätig zu werden.

Auch solche Vereinbarungen werden unter die Regelungen der §§ 74 ff. HGB und § 110 GewO fallen. Insoweit sind die Überschriften dieser Vorschriften irreführend, da sie nur vom Wettbewerbsverbot sprechen.

Die nachfolgenden Ausführungen müssen deshalb auch für solche Cooling-Off-Vereinbarungen gelten.

Das nachvertragliche Wettbewerbsverbot kann sich auf die Betreuung bestimmter Kunden beziehen. Bei den freien Berufen, etwa Rechtsanwälten, Steuerberatern oder Ärzten werden sog. Mandanten-, Klienten- oder Patientenschutzklauseln verwendet, mit denen dem Arbeitnehmer untersagt wird, nach dem Ausscheiden aus dem Büro oder der Praxis die dortigen Mandanten oder Patienten zu betreuen.[1]

Maßstab: Berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer gemäß § 74a Abs. 1 Satz 1 HGB nur dann eine berufliche Tätigkeit untersagen oder diese einschränken, wenn er ein eigenes berechtigtes geschäftliches Interesse zwischen der früheren und der vorgesehenen neuen Tätigkeit erkennen kann und er befürchten oder erwarten muss, dass der Arbeitnehmer Geschäftsgeheimnisse weitergibt oder z. B. den Kundenkreis des früheren Arbeitgebers bewirbt.[2]

Ein berechtigtes geschäftliches Interesse des Arbeitgebers an der Unterlassung von Arbeiten im neuen Betrieb ist immer dann gegeben, wenn die frühere Tätigkeit des Beschäftigten mit dessen neuer Tätigkeit vergleichbar ist und der Arbeitgeber sich durch eine anderweitige außerhalb seines Unternehmens erfolgende Verwertung der Kenntnisse und Erfahrungen des ausscheidenden Arbeitnehmers gefährdet sieht. Dabei ist darauf zu achten, dass sich die – untersagte – Wettbewerbstätigkeit auf der gleichen "Ebene" befindet. Wechselt z. B. ein Verkaufsmitarbeiter, der nur an Fachhändler vermittelt, in einen solchen Fachhandel, der seinerseits an den Endkunden vertreibt, ist dies nach Ansicht des BAG kein Wettbewerb.[3]

Wettbewerbsverbot muss angemessen sein

Trotz eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Arbeitgebers darf die Wettbewerbsabrede keine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Arbeitnehmers darstellen.[4] Dies bedeutet, das Verbot muss nach Ort, Zeit und Inhalt angemessen sein.

Immer mehr Unternehmen sind in mehreren Branchen und in der gesamten Bundesrepublik tätig, sodass grundsätzlich ein berechtigtes geschäftliches Interesse an einem umfassenden Wettbewerbsverbot bestehen kann. Dadurch würde aber dem Arbeitnehmer jede mögliche Ausübung seines Berufs und seiner Arbeitskraft unmöglich gemacht, sodass ihm für bestimmte, zurückgesetzte Gegenden und bestimmte Tätigkeitsbereiche auch eine Konkurrenztätigkeit erlaubt werden muss. Hier gilt der Grundsatz: Je umfassender ein Wettbewerbsverbot, desto höher muss die zugesagte Karenzentschädigung sein, um die Wettbewerbsabrede als wirksam anzuerkennen.[5]

Europaweites Wettbewerbsverbot

Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein europaweites Wettbewerbsverbot zulässig ist, gibt es bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung. Auch ein solches Verbot muss aber unter dem Abwägungsgesichtspunkt zwischen betrieblichem Interesse des ehemaligen Arbeitgebers und dem Interesse des Arbeitnehmers auf Ausübung seines existenzbegründenden Berufs bewertet werden. Grundsätzlich wird eine solche europaweite Beschränkung allenfalls für Unternehmen zulässig sein, die im europäischen Wettbewerb stehen; der Globalisierung, der Europäisierung des Markts und der Vereinheitlichung der Systeme ist insoweit Rechnung zu tragen. Doch selbst wenn ein solch umfassendes europaweites Wettbewerbsverbot im Einzelfall zulässig sein sollte, muss dem Arbeitnehmer ggf. eine untergeordnete Region bzw. Branche überlassen werden, um seine Arbeitsmarktchancen weiterhin wahrnehmen zu können.

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