§ 17 Abs. 1 MuSchG erklärt eine Kündigung für unzulässig, wenn sie gegenüber einer Arbeitnehmerin während der Schwangerschaft oder bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung oder nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche ausgesprochen wird. Ausschlaggebend ist der Zeitpunkt, zu dem die Kündigungserklärung zugeht, nicht der Beendigungszeitpunkt.

 
Praxis-Beispiel

Kündigungszugang während der Schwangerschaft

Schwangerschaft vom 1.2.2023 bis 31.10.2023, Schutz nach Entbindung vom 1.11.2023 bis 29.2.2024.

Kündigungszugang am 15.1.2023 zum 30.6.2023: wirksam, Arbeitsverhältnis endet am 30.6.2023.

Kündigungszugang am 15.2.2023 zum 30.6.2023: unwirksam, Arbeitsverhältnis besteht weiter.

Kündigungszugang am 15.2.2024 zum 30.6.2024: unwirksam, Arbeitsverhältnis besteht weiter.

Kündigungszugang am 1.3.2024 zum 30.6.2024: wirksam, Arbeitsverhältnis endet am 30.6.2024.

(Einhaltung der Kündigungsfristen jeweils unterstellt).

Beginn des Kündigungsverbots

Das Kündigungsverbot beginnt ab Eintritt der Schwangerschaft. Dieser Zeitpunkt ist auch maßgebend, wenn die Schwangerschaft erst später festgestellt wurde. Für die Ermittlung des genauen Beginns der Schwangerschaft ist zunächst von dem ärztlichen Zeugnis nach § 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG auszugehen. Darin ist der voraussichtliche Geburtstermin angegeben. Von diesem Tag an sind 280 Tage zurückzurechnen[1], wobei der voraussichtliche Tag der Entbindung nicht mitzuzählen ist.[2] Dem Arbeitgeber ist es aber unbenommen, den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung zu erschüttern und Umstände darzulegen – und im Prozess auch zu beweisen –, aufgrund derer es der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis widersprechen würde, von einer Schwangerschaft der Arbeitnehmerin bei Kündigungszugang auszugehen. Möglich ist dies beispielsweise durch ein Sachverständigengutachten, das belegt, dass die Nidation (Einnistung der Eizelle) erst zu einem späteren Zeitpunkt stattgefunden hat.[3]

 
Praxis-Beispiel

Schwangerschaft zum Kündigungszeitpunkt

Die Arbeitnehmerin wird zum 1.2.2021 eingestellt. Am 20.6.2021 kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 4.7.2021. Danach legt die Arbeitnehmerin ein ärztliches Zeugnis vor, nach dem der voraussichtliche Geburtstermin der 25.3.2022 sein soll. Errechneter Beginn der Schwangerschaft: 280 Tage vor dem 25.3.2022. Die Kündigung ist also während der Schwangerschaft erfolgt. Der Arbeitgeber kann versuchen, durch ein einzuholendes Gutachten zu beweisen, dass die Schwangerschaft erst nach dem 20.6. begann.

Ende des Kündigungsverbots

Der Kündigungsschutz endet 4 Monate nach der Entbindung (oder 4 Monate nach einer Fehlgeburt nach der 12. Schwangerschaftswoche). Fristende ist der Tag, der durch seine Zahl dem Tag der Entbindung entspricht.[4]

 
Praxis-Beispiel

Ende des Kündigungsschutzes

Entbindung am 3.2., 15 Uhr, Ende des Kündigungsschutzes am 3.6. um 24 Uhr.

Fehlgeburten und Sonderfälle

Bei Fehlgeburten oder Schwangerschaftsabbruch war nach Ansicht des BAG der Kündigungsschutz nicht per se ausgeschlossen. Es komme vielmehr darauf an, ob sich die Leibesfrucht bei der Trennung vom Mutterleib bereits bis zu einem Stadium entwickelt habe, in dem sie zu selbstständigem Leben fähig sei. Das hänge nicht davon ab, ob das Kind lebend oder tot zur Welt komme. Das BAG nimmt zur Konkretisierung dieser Frage Anleihe bei § 29 Abs. 2 PersStdGAV[5], der Kinder als tot geboren oder in der Geburt verstorben (§ 21 Abs. 2 PStG) ansah, wenn das Gewicht der Leibesfrucht mindestens 500 Gramm betragen hat. Dies gelte selbst dann, wenn sich kein Lebensmerkmal i. S. d. § 29 Abs. 1 PersStdGAV nach der Scheidung vom Mutterleib gezeigt habe. In diesen Fällen einer Lebend- oder Totgeburt liege eine Entbindung vor mit der Folge, dass der 4-monatige Kündigungsschutz nach der Entbindung gelte.[6]

Dazu ist in der Gesetzesbegründung § 17 MuSchG ausgeführt:

Der Kündigungsschutz gilt

  • für Fälle der Entbindung, d. h.
  • einer Lebendgeburt im Sinne von § 31 Abs. 1 der Personenstandsverordnung (PStV) oder
  • einer Totgeburt im Sinne von § 31 Abs. 2 PStV und
  • im Fall der Fehlgeburt im Sinne von § 31 Abs. 3 PStV, wenn die Schwangerschaft mindestens 12 Wochen bestanden hat.

Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwangerschaft

Voraussetzung für den Kündigungsschutz nach § 17 MuSchG ist, dass dem Arbeitgeber die Schwangerschaft oder die Entbindung zur Zeit der Kündigung bekannt war oder innerhalb von 2 Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.[7] Das Kündigungsverbot greift nicht, wenn die Schwangerschaft oder die Entbindung dem Arbeitgeber bei der Kündigung und in den folgenden 2 Wochen unbekannt ist und bleibt, mag die Unkenntnis auch auf einfacher oder sogar grober Fahrlässigkeit beruhen. Es reicht nicht, wenn der Arbeitgeber eine Schwangerschaft nur vermutet.[8] Gerüchte genügen auch nicht.[9] Nach überwiegender Ansicht trifft den Arbeitgeber auch keine Erkundigungspflicht – denn das würde auf ein Gleichsetzen von fahrlässiger Unkenntnis mit Kenntnis hinauslaufen. Allerdings ist unerheblich, wie der Arbeitgeb...

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