Bei der arbeitsrechtlichen Bewertung von Mobbing ist danach zu unterscheiden, ob das Mobbing vom Arbeitgeber ausgeübt bzw. geduldet wird oder ausschließlich von Arbeitskollegen bzw. Vorgesetzten des Betroffenen ausgeht.

Der Arbeitgeber hat aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses als arbeitsvertragliche Nebenpflicht die sog. Fürsorgepflicht, die ihn verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Dazu gehört auch die Pflicht, den Arbeitnehmer davor zu schützen, dass er am Arbeitsplatz Gesundheitsgefahren ausgesetzt ist[1], und Maßnahmen zu unterlassen, die geeignet sind, das Fortkommen des Arbeitnehmers zu beeinträchtigen.

Nach § 241 Abs. 2 BGB erwachsen jeder Vertragspartei aus einem Schuldverhältnis nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme und zum Schutz der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Dies verbietet auch die Herabwürdigung und Missachtung eines Arbeitnehmers. Dieser hat daher Anspruch darauf, dass auf sein Wohl und seine berechtigten Interessen Rücksicht genommen wird, dass er vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, geschützt wird, und dass er keinem Verhalten ausgesetzt wird, das bezweckt oder bewirkt, dass seine Würde verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Der Arbeitgeber ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch zum Schutz der Gesundheit und des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers verpflichtet.[2]

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der u. a. auch den Schutz gegen herabsetzende, entwürdigende Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist. Er umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch Andere.[3]

§ 75 Abs. 2 BetrVG verpflichtet den Arbeitgeber (und den Betriebsrat) ferner, das Persönlichkeitsrecht der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer gegen Beeinträchtigungen zu schützen. Unter dem Begriff des Persönlichkeitsrechts wird das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit verstanden.

Soweit der Arbeitgeber aktiv "Mobbing" gegen einen bestimmten Arbeitnehmer betreibt oder daran beteiligt ist, verletzt er nicht nur seine Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, sondern auch das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber das von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen ausgehende "Mobbing" kennt, aber stillschweigend duldet und nichts dagegen unternimmt. Der Arbeitgeber ist in einem solchen Fall aufgrund seiner Fürsorgepflicht – und sofern ein Betriebsrat vorhanden ist aufgrund von § 75 Abs. 2 BetrVG – verpflichtet, sich schützend vor den Betroffenen zu stellen und geeignete Maßnahmen zu treffen, um weitere Mobbinghandlungen zu verhindern.

Dabei stellt nicht jede unberechtigte Kritik, überzogene Abmahnung oder gar unwirksame Kündigung gleichzeitig auch eine Persönlichkeitsverletzung dar und führt zu einer Verletzung der vertraglichen Rücksichtnahmepflicht, zumal ein Arbeitgeber Personalmaßnahmen grundsätzlich auch versuchen dürfen muss.[4]

Allein durch den Ausspruch einer unwirksamen Kündigung verletzt ein Arbeitgeber nicht seine dem Arbeitnehmer gegenüber bestehenden Rücksichtnahmepflichten. Eine nicht mehr sozial adäquate Maßnahme könnte eine Kündigung nur dann darstellen, wenn sie den Arbeitnehmer über den bloßen Kündigungsausspruch hinaus in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt und dies vom Arbeitgeber auch so gewollt ist.[5]

 
Praxis-Beispiel

Kein Mobbing bei arbeitsrechtlichen Sanktionen nach konkreten sachlichen Anlässen

Nach einer Entscheidung des LAG Köln[6] stellen der Ausspruch von 14 Abmahnungen in 8 Jahren, eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber, 2 erfolglose Anhörungsverfahren beim Integrationsamt wegen des mittlerweile einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellten Klägers, ein Entgeltrechtsstreit sowie die Aufforderung, bereits am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen[7] weder einzeln noch in der Gesamtschau eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn es für die einzelnen Maßnahmen des Arbeitgebers jeweils einen konkreten sachlichen Anlass gab.

Bei Ausspruch rechtlich zulässiger Abmahnungen begeht der Arbeitgeber in der Regel keinen Verstoß gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis, sodass dann auch kein "Mobbing" vorliegen kann. Dies gilt grundsätzlich auch, wenn sich eine Abmahnung nachträglich als unberechtigt herausstellt. Entscheidend ist, ob sich eine Abmahnung im Zeitpunkt ihres Ausspruchs (ex-ante) aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers als berechtigt darstellt. Anderes gilt nur dann, wenn der Arbeitgeber die Abmahnung mutwillig und ohne jeden Anlass aussp...

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