Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwaltungsverfahren. Verfahrensakten. Akteneinsicht. Zulassungsentziehung wegen Abrechnungsmanipulation. Prüfung. Wohlverhalten

 

Orientierungssatz

1. Was zu den das Verwaltungsverfahren betreffenden Akten rechnet, ist objektiv zu beurteilen und nicht vom Willen der Behörde abhängig (vgl LSG Essen vom 21.1.2004 - L 11 KA 179/02). Die das Verfahren betreffenden Akten sind die Gesamtheit der Schriftstücke, die die Behörde für das jeweilige konkrete Verfahren anfertigt oder beigezogen hat.

2. Der Rechtsanspruch auf Akteneinsicht steht unter dem Vorbehalt, dass die Akteneinsicht zur Geltendmachung oder Verteidigung der rechtlichen Interessen notwendig ist. Dies entscheidet sich nicht nur nach der Rechtsauffassung der Behörde; maßgebend ist vielmehr, ob aufgrund einer anderen Rechtsauffassung oder Würdigung der tatsächlichen Vorgänge die Akteneinsicht für die Wahrung der rechtlichen Interessen dienlich sein kann.

3. Bei Abrechnungsmanipulationen, die sich über zwei Jahre erstrecken und zu einem Schaden erheblichen Ausmaßes führen, kann wegen der Schwere der Pflichtverletzung lediglich eine Disziplinarmaßnahme nicht ausreichen, selbst wenn diese möglicherweise geeignet sein könnte, den Vertragszahnarzt zB in Verbindung mit strafrechtlichen Maßnahmen zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.

4. Bei der Prüfung des "Wohlverhaltens" kann grundsätzlich nur auf eine Zeit zwischen dem Ergehen der Zulassungsentziehungsentscheidung des Berufungsausschusses und der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz im Rechtsstreit über den Entziehungsbescheid abgestellt werden (vgl BSG vom 31.10.2006 - B 6 KA 40/06 B).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.11.2008; Aktenzeichen B 6 KA 59/08 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Zulassung zur vertragszahnärztlichen Versorgung.

Der 1953 geborene Kläger, der 1988 die deutsche Approbation als Zahnarzt erhielt, wurde 1989 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Seitdem ist er unter dem Praxissitz F-E-S ... in ... D als Vertragszahnarzt - von Juli 2002 bis November 2003 in Gemeinschaftspraxis - tätig.

Unter dem 28.11.2002 erklärte er auf Befragen der Beigeladenen zu 7), dass er in der Zeit von April 1999 bis November 2002 Zahnersatz von der Firma G GmbH (G) bezogen, aber im Zuge der Geschäftsverbindungen von dieser keine Rabatte oder andere Vergünstigungen erhalten habe. Hintergrund der Anfrage war die zwischenzeitlich gewonnene Kenntnis über ein von G entwickeltes Rabattsystem bei der Lieferung von Zahnersatz u.a. an deutsche Vertragszahnärzte. Die Firma ließ Zahnersatz im Ausland - überwiegend in Asien - fertigen, in dem die Herstellungskosten weit unter deutschem Niveau lagen. G stellte den Vertragszahnärzten die Leistungen entsprechend den in Deutschland üblichen Preisen in Rechnung, die diese dann zu diesen Preisen u.a. mit der Beigeladenen zu 7) abrechneten. Gleichzeitig erhielten die am Rabattsystem partizipierenden Vertragszahnärzte von G entsprechend derer Tarifbedingungen Rabattzahlungen, sog. "Kickback-Zahlungen", in Höhe von (i.H.v.) bis zu 30%, die sich u.a. aus der Differenz zwischen tatsächlichen Herstellungskosten und abgerechneten Kosten berechneten. Die Rückerstattungen an die Vertragszahnärzte, die diese für sich einbehielten, erfolgten in der Regel per Post oder in Form von persönlicher Barzahlung durch Mitarbeiter von G.

Im Rahmen der gegen G geführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (Staatsanwaltschaft W - Az. ... -) wurde u.a. eine Datenbank sichergestellt, nach der auch der Kläger Rabattzahlungen von G erhalten hatte. Dies wurde von dem Geschäftsführer von G, O J M, bei seiner Aussage vor dem Amtsgericht Essen (Az. 44 Gs 1867/03) am 22.10.2003 bestätigt. M gab an, dass an den Kläger bis April 2002 Rabatte i.H.v. 191.535 Euro ausgezahlt worden seien. Nach der von ihm überreichten Aufstellung wurden an den Kläger in der Zeit von Juni 1999 bis April 2002 durchschnittlich ca. 5.500 Euro je Monat gezahlt.

Der Kläger erklärte bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht Wuppertal am 23.09.03 - Az. 8 (A) Gs 737/03 - u.a.:

"Ich habe bis September 2001 Kick-Back-Zahlungen von der Firma G angenommen. Diese beliefen sich zuletzt auf 19 % der Rechnungssumme ohne Materialanteil monatlich. Da ich die Rechnungen der Firma G in der Regel drei Monate später beglichen habe, wurden mir von dort pro Monat jeweils 2 % von den ursprünglichen 25 % abgezogen."

Zu den Geschäftsbeziehungen zu G und deren Außendienstmitarbeiter K gab er bei der Vernehmung vor der Kreispolizeibehörde Essen vom 29.10.2003 an:

"Irgendwann Ende 1997 hat Herr K mich aufgesucht und gefragt, ob Ich zufrieden sei. Er wollte mich als dauerhaften Kunden. Er bot dabei von sich aus an, dass eine Rückvergütung in Höhe von 10% der Rechnungssumme gewährt ...

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