Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung und Vergütung eines externen Beisitzers einer Einigungsstelle

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird die Bestellung eines externen und damit vergütungspflichtigen Beisitzers einer Einigungsstelle nach § 76 BetrVG nicht daraufhin überprüft, ob die Bestellung erforderlich war. Bestellt der Betriebsrat neben einem Vertreter der Gewerkschaft und einem Rechtsanwalt der ihn vertretenden Kanzlei einen weiteren gleich qualifizierten Rechtsanwalt derselben Kanzlei als Beisitzer einer Einigungsstelle mit je drei Beisitzern und beauftragt den Betriebsratsvorsitzenden mit der Vertretung des Betriebsrats vor der Einigungsstelle, kann dies sachwidrig sein und damit gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG verstoßen.

2. Den Vergütungsanspruch des Beisitzers nach § 76a Abs. 3 BetrVG lässt auch dessen sachwidrige Bestellung grundsätzlich unberührt. Allerdings kommt eine Haftung der sachwidrig handelnden Betriebsratsmitglieder ebenso in Betracht wie die Verpflichtung des Betriebsrats, mögliche Haftungsansprüche gegen den zur sachwidrigen Besetzung der Einigungsstelle ratenden Rechtsanwalt an den Arbeitgeber abzutreten.

3. Die Bestimmung des Vergütungsanspruchs durch den Beisitzer nach § 76a Abs. 3 - 5 BetrVG i. V. m. § 315 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 BGB entspricht nicht der Billigkeit und ist daher für den Arbeitgeber unverbindlich, wenn der Beisitzer nicht nur die Vergütung des Vorsitzenden der Einigungsstelle zu Grunde legt, sondern auch dessen nach § 76a Abs. 1 BetrVG zu erstattenden Reisekosten.

4. Solange die Bestimmung durch das Einigungsstellenmitglied nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB unverbindlich und die Vergütung nicht durch rechtskräftiges Urteil nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB festgesetzt ist, ist der Vergütungsanspruch nicht fällig und der Arbeitgeber nicht in Verzug. Solange kann der Beisitzer daher weder Verzugszinsen oder Prozesszinsen noch sog. Honorardurchsetzungskosten nach § 286 BGB verlangen.

 

Normenkette

BetrVG § 2 Abs. 1, §§ 76, 76a; BGB §§ 242, 286, 288, 315; ArbGG § 100; BetrVG § 76a Abs. 1, 3-4; BGB § 315 Abs. 1, 3 Sätze 1-2, § 316

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 27.10.2016; Aktenzeichen 9 BV 157/15)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 19.11.2019; Aktenzeichen 7 ABR 52/17)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 27.10.2016 - Az. 9 BV 157/15 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

1. Die Beteiligte zu 2 wird verurteilt, an den Antragsteller einen Betrag von 4.248,30 € brutto zu zahlen.

2. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten um die Zahlung einer Kostennote des Antragstellers für seine Tätigkeit als Beisitzer einer Einigungsstelle sowie um sog. Rechtsdurchsetzungskosten.

Die Beteiligte zu 2 hat in N...ihren Sitz und steuert von hier aus mehrere bekannte Eismarken. Sie beschäftigt am Standort N... ca. 550 Mitarbeiter, darunter ca. 50 Arbeitnehmer als Staplerfahrer und Kommissionierer im Kühlhaus. Es ist ein elfköpfiger Betriebsrat gebildet, dessen Vorsitzender in den Jahren 2014 und 2015 Herr H... gewesen ist. Mittlerweile hat Herr L... den Vorsitz übernommen.

Im Jahre 2014 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen der Beteiligten zu 2 und dem Betriebsrat in Bezug auf die Umkleidezeiten erforderlicher Schutzkleidung und Sicherheitsschuhe im Kühlhaus sowie notwendiger Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe in anderen Bereichen. Deswegen forderte der Betriebsrat die Beteiligte zu 2 mit Schreiben vom 04.03.2014 auf, Gespräche über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zum Thema "vergütungspflichtige Umkleidezeiten" aufzunehmen. In der Folgezeit machte der Betriebsrat seine Verhandlungswünsche unter anderem mit Schreiben vom 08.04.2014 und 24.04.2014 noch einmal gegenüber dem Arbeitgeber deutlich.

Das Ansinnen des Betriebsrats wurde unter anderem mit Schreiben der Beteiligten zu 2 vom 13.05.2014 und 06.08.2014 zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 01.09.2014 nahm die Beteiligte zu 2 noch einmal ausführlich rechtlich gegenüber dem Betriebsrat Stellung. Dieser antwortete mit Schreiben vom 04.09.2014. Eine Erwiderung seitens der Beteiligten zu 2 erfolgte mit Schreiben vom 15.09.2014. Wegen der Einzelheiten der Korrespondenz zwischen dem Betriebsrat und der Beteiligten zu 2 in der Zeit vom 04.03.2014 bis 15.09.2014 wird auf Blatt 279 - 285 der Akten verwiesen.

Der Betriebsrat nahm am 11.09.2014 erstmals Kontakt mit der Rechtsanwaltskanzlei A... auf und beauftragte sie formell unter dem Datum 26.09.2014. Gründer der Kanzlei ist Rechtsanwalt S.... Der Antragsteller war in dem 2014 eröffneten Büro der Kanzlei in F... als Rechtsanwalt tätig.

Mit Schreiben vom 13.10.2014 (Blatt 286 der Akten) lehnte die Beteiligte zu 2 gegenüber dem Betriebsrat die Übernahme der Kosten für einen externen Sachverständigen zum Thema "vergütungspflichtige Umkleidezeite...

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