Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Entgeltfortzahlung bei ambulanter Vorsorgekur. Unbegründete Feststellungsklage zur Gewährung von Resturlaub bei unzureichenden Darlegungen einer Landesbediensteten zum akuten Krankheitsanlass unter Ausschluss eines urlaubsmäßigen Zuschnitts des Kuraufenthalts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EFZG setzt voraus, dass eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation notwendig ist, um eine Schwächung der Gesundheit zu beseitigen, die in absehbarer Zeit zu einer Krankheit führen würde, oder um Krankheiten zu verhüten oder deren Verschlimmerung zu vermeiden.

2. Keine medizinischen Vorsorge oder Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 EFZG sind sogenannte Erholungskuren, die ohne akuten Krankheitsanlass nur der Vorbeugung gegen allgemeine Abnutzungserscheinungen oder der bloßen Verbesserung des Allgemeinbefindens dienen bzw. die in einem urlaubsmäßigen Zuschnitt verbracht werden können.

3. Ob eine Einsichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation vorliegt, bestimmt sich nach der sozialrechtlichen Legaldefinition in § 107 Abs. 2 SGB V.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 616; BUrlG § 10; EFZG §§ 3, 9; SGB V § 107 Abs. 2, § 23 Abs. 1; TV L § 29 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1; EFZG § 9 Abs. 1 S. 1; TV-L § 29 Abs. 1 Buchst. f

 

Verfahrensgang

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 04.06.2014; Aktenzeichen 2 Ca 78/14 Ö)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.05.2016; Aktenzeichen 5 AZR 298/15)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 4. Juni 2014 - 2 Ca 78/14 Ö - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsansprüche vor dem Hintergrund der Frage, ob der Klägerin während eines Kuraufenthaltes Erholungsurlaub erteilt wurde oder ob das beklagte Land während dieser Zeit zur Entgeltfortzahlung verpflichtet war.

Die Klägerin steht seit 2002 in einem Arbeitsverhältnis zum beklagten Land; kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2013 (Bl. 4 d.A.) teilte die AOK N. (im Folgenden: AOK), bei der die Klägerin gesetzlich krankenversichert ist, ihr mit, sie beteilige sich an den Kosten für eine ambulante Vorsorgekur ab dem 4. Oktober 2013 auf der Insel L. für die Dauer von 21 Tagen. Laut dem Schreiben übernahm die AOK die kurärztliche Behandlung und die Kuranwendungen abzüglich einer Verordnungsgebühr und einer Zuzahlung. Für andere Kosten wie Kurtaxe, Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung gewährte sie einen täglichen Zuschuss von 13 Euro. Das Schreiben führt weiter aus, die Kostenbeteiligung setze einen Kuraufenthalt von 21 Kalendertagen voraus, weil der Kurerfolg sonst nicht gesichert sei.

Mit Bescheinigung vom 7. Mai 2013 (Bl. 6 d.A.) war der Klägerin bescheinigt worden, dass "aus hautfachärztlicher Sicht ... die Durchführung einer ambulanten Kur wegen der Heilungsfunktion des Nordseeklimas empfehlenswert" sei. Mit Schreiben vom 27. September 2013 (Bl. 7 d.A.) bescheinigte der Hausarzt, die Klägerin leide an "multiplen Erkrankungen"; "zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und zur Verbesserung des Allgemeinzustandes" sei eine ambulante Vorsorgekur ärztlicherseits anzuraten. Ambulante Maßnahmen am Wohnort seien ausgeschöpft, hätten aber nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Es seien Kurmaßnahmen im Reizklima der Nordsee erforderlich. Während der Maßnahme, welche die Klägerin während eines privat durchgeführten dreiwöchigen Aufenthaltes auf L. erhielt, bescheinigte der Badearzt: "Inselklima an Nordsee unabdingbar für Erkrankung (sic) von Frau S." (Bl. 8 d.A.). Eine weitere Bescheinigung stellte ein Facharzt für Orthopädie am 28. Oktober 2013 aus (Bl. 9 d.A). Sie lautet: "Die Durchführung der erfolgten Rehabilitationsmaßnahme war selbstverständlich notwendig, sonst wäre sie nicht beantragt worden. Die Patientin war in der Zeit der Reha nicht in der Lage ihrer regulären Tätigkeit nachzugehen".

Die Klägerin hat behauptet, sie habe während ihres - als solchem unstreitigen - Aufenthalts auf L. in der Zeit vom 4. bis 25. Oktober 2013 Kuranwendungen erhalten, die ihre ganztägige Anwesenheit auf der Insel erfordert hätten. Sie habe täglich Inhalationen und mindestens zwei weitere Anwendungen erhalten. Der Kurarzt habe ihr sechsmal Mehrwasserwarmbäder, Bewegungsbäder, Massagetherapie, Schlickpackungen und Lymphdrainage verschrieben. Sie hat die Auffassung vertreten, das beklagte Land hätte die Abwesenheitszeit nicht als Urlaub betrachten dürfen. Gemäß § 29 Abs. 1 Buchst. f) TV-L stehe ihr Entgeltfortzahlung für die Maßnahme zu, denn diese sei medizinisch notwendig gewesen. Das ergebe sich sowohl aus der Genehmigung durch die AOK als auch aus den ärztlichen Bescheinigungen. Auch aus § 9 Abs. 1 EFZG folge der Anspruch. Das Schreiben der AOK stelle eine Bewilligung durch die Krankenkasse in Form eines Verwaltungsaktes dar. Dass es sich um eine ambulant...

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