Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Annahmeverzug des Arbeitgebers bei selbstverursachter Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Ablehnung eines unzureichenden Leistungsangebots i.S.d. § 297 BGB

 

Leitsatz (amtlich)

Ist der anspruchstellende Arbeitnehmer auf der Grundlage einer eigenverantwortlichen Entscheidung nicht in der Lage, die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit vollumfänglich zu bewirken, so gerät der das unzureichende Arbeitsangebot ablehnende Arbeitgeber gem. § 297 BGB nicht in Verzug.

 

Leitsatz (redaktionell)

Verfügt der Arbeitnehmer im Zeitraum von September 2021 bis Dezember 2021 nicht über den Status "genesen" oder "geimpft" und lehnt er den somit vorgeschriebenen täglichen Corona-Schnelltest ab, kann er nicht beschäftigt werden. Er hat es selbst zu vertreten, dass er seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht erbringen kann bzw. darf.

 

Normenkette

BGB §§ 615, 297; EFZG § 3; BGB §§ 293-294, 611

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 25.01.2022; Aktenzeichen 1 Ca 166/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund vom 25.01.2022 - 1 Ca 166/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Verzugslohnansprüche des Klägers für die Zeit von September 2021 bis Dezember 2021. Hintergrund der rechtlichen Auseinandersetzung ist die Weigerung des Klägers, der im streitgegenständlichen Zeitraum September bis Dezember 2021 nicht über den Status "genesen" bzw. "geimpft" verfügt hat, sich täglich auf das Corona-Virus testen zu lassen.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.12.2020 ein Arbeitsverhältnis zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 2.500 € bei einer 40-Stunden-Woche. Die Beklagte betreibt mehrere Sanitätshäuser. Die arbeitsvertraglichen Aufgaben des Klägers bei der Beklagten beinhalten zum einen Teil Tätigkeiten in den Räumlichkeiten der Beklagten in der Kundenberatung und -betreuung inkl. der dazugehörigen Büroarbeiten. Zum anderen Teil ist es arbeitsvertragliche Aufgabe des Klägers die Kunden aushäusig beispielsweise in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu betreuen und mit Hilfsmitteln zu versorgen bzw. diese anzupassen.

Während seines Erholungsurlaubes erhielt der Kläger ein Schreiben der Beklagten vom 27.08.2021 - zu diesem Zeitpunkt war das Betreten von Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern bereits nur unter Berücksichtigung der 3G-Regelung zulässig - in dem es - soweit hier von Bedeutung - wie folgt heißt:

"Darüber hinaus wird es auch immer wieder nötig sein, dass Sie in medizinischen Einrichtungen Versorgungen durchführen.

Auch hier ist ein Schnelltest angezeigt, da Sie sich derzeit, meines Wissens, auch gegen eine Impfung entschieden haben.

Auch diese Punkte bitte ich zu erklären und zu berücksichtigen sowie um Mitteilung, wie eine Weiterbeschäftigung ohne Bereitschaft, Schnelltests oder dergleichen durchführen zu lassen, möglich sein soll."

Auf das vorgenannte Schreiben der Beklagten reagierte der Kläger nicht.

Nach Rückkehr aus dem Erholungsurlaub am 06.09.2021 lehnte der Kläger die Durchführung eines von der Beklagten gestellten "Corona-Tests" ab.

Nach den zwischen dem Geschäftsführer der Beklagten und dem Kläger am 06.09.2021 und 08.09.2021 geführten Gesprächen stellte die Beklagte den Kläger aufgrund seiner Weigerung, sich testen zu lassen, "bis auf Weiteres" von der Arbeit frei und teilte diesem in dem Schreiben vom 09.09.2021 (Bl. 49 d. A.) mit, er könne sich jederzeit kostenlos testen lassen und nach entsprechendem Nachweis sofort wieder zur Arbeit kommen.

Mit Schreiben vom 16.09.2021 übersandte die Beklagte an den Kläger eine "Arbeitsanweisung" unter dem Datum vom 15.09.2021, in der sie u. a. mitteilte, dass ab Montag, den 20.09.2021 alle ungeimpften "Mitarbeiter/innen" mit Dienstbeginn verpflichtet seien, einen Antigen-Selbsttest durchzuführen (Bl. 56 - 58 d. A.).

Da der Kläger sich trotz Abmahnung weiterhin weigerte, sich gegen das Corona-Virus testen zu lassen, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 24.09.2021 zunächst die außerordentliche fristlose und hilfsweise ordentliche fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Nachdem der Kläger diese Kündigung mit der am 29.09.2021 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage angegriffen hatte, erklärte die Beklagte im Verlauf des Verfahrens mit Schreiben vom 30.11.2021 (Bl. 82 d. A.), sie nehme die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung zurück und teilte zudem mit, aus dieser keine Rechte mehr herzuleiten. Darüber hinaus wurde der Kläger aufgefordert, seine Tätigkeit am 02.12.2021 erneut aufzunehmen. Dabei habe er bei Betreten der Betriebsstätte einen negativen Testnachweis, der nicht älter als 24 Stunden sei, mit sich zu führen, oder einen PCR-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein dürfe.

Unter dem Datum vom 02.12.2021 legte der Kläger bei der Beklagten nunmehr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 02.12.2021 bis voraussichtlich 31.12.2021 vor.

Mit seiner am 29.09.2021 be...

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